Braunschweig. Der Weltenbummler zeigt seine surrealen Gemälde, Collagen und Filmkunst in einer Doppelausstellung in „Vita-Mine“ und „Vita-Villa“.
Der Weltenbummler ist mal wieder zurück in der Heimat. Gleich mit einer Doppelausstellung: Unter dem Motto „Pollenflug & Neuronenfeuer“ zeigt Daniel Zerbst in der Wolfenbütteler „Vita-Villa“ und der „Vita-Mine“ in Braunschweig gleichzeitig seine handwerklich äußerst fein gearbeitete, futuristisch-surreale, multimediale Kunst.
Neben einer überbordenden Phantasie ist das Zeichnen eine herausragende Qualität des gelernten Gold- und Silberschmieds, der in Wolfenbüttel aufwuchs. Nach einem Studium der angewandten Kunst pilgerte er in den 90er Jahren in das spanische Örtchen Cadaqués an der Costa Brava, der früheren Wahlheimat Salvador Dalís. In das Künstlerdorf kehrt der 49-Jährige seitdem immer mal wieder zurück, wenn er nicht in seinem Wolfenbütteler Atelier schafft oder anderswo in der Welt ausstellt und reist.
Mit Helge Achenbach unterwegs in Kathmandu
Im März war er beispielsweise auf Einladung seines Kalkarer Galeristen Hans Hermann Bottenbruch in Kathmandu unterwegs, gemeinsam mit einer Gruppe Düsseldorfer Künstler. Zu der gehörte, wie Zerbst erzählt, auch Helge Achenbach, jener schillernde Kunstberater, der wegen Kundenbetrugs unter anderem der Aldi-Unternehmerfamilie zeitweise in Haft saß und nun selber künstlerisch tätig ist.
In der Kunstakademie der Hauptstadt von Nepal stand ein Austausch mit nepalesischen Künstlern an. „Das sind unglaublich begabte Handwerker“, schwärmt Zerbst. Er hat eine großformatige Mischtechnik-Arbeit (Acrylmalerei, Aquarell, Zeichnung) auf Büttenpapier mit zurück in die „Vita-Mine“ gebracht, „Globus Lazuli“. Sie zeigt im Kern der angeschnittenen Weltkugel zwei in sich verschlungene Schlangen, ein Symbol der Hindus und Buddhisten für Schöpfung, Zerstörung und Neubeginn zugleich. Um die Weltkugel herum hat Zerbst die Umrisse der Hände von Künstlerinnen und Künstlern angeordnet, mit denen er dort zusammengearbeitet hat.
Erotik, fantastische Landschaften, Futurismus und Pop-Kultur
Sein Markenzeichen sind allerdings eher mittlere Formate, auf denen seine bestrickende Zeichenkunst zur Geltung kommt. Wie „Jungfernflug“, auf dem zwei junge Frauen durch ein weites Kornfeld streifen, über das ein phallisches, zeppelinhaftes Raumschiff schwebt. „Da habe ich 800 Ähren fein säuberlich gezeichnet, puh“, erzählt Zerbst über die Mischtechnik-Arbeit aus Ölmalerei und Bleistiftzeichnung. Fantastische Landschaften, Science-Fiction-Einsprengsel, mehr oder weniger subtile Erotik und Popkultur-Versatzstücke, das sind die charakteristischen Ingredienzien seiner Kunst.
Bemerkenswert ist die handwerkliche Finesse auch in kleinen „3D-Bildern“, die er in der „Vita-Mine“ zeigt: in die Tiefe geschichtete, collagierte Papierszenerien hinter Glas. „Ich musste das einfach machen, nachdem ich seit Jahrzehnten wieder einmal die Dioramen im Naturhistorischen Museum besucht hatte“, erzählt der vielgereiste Künstler. „La Incubadora“, den Brutkasten etwa, durchzieht eine mexikanische Prozession, im Hintergrund hocken Anhängerinnen der mörderischen Sekte Charles Mansons auf einem Sofa, die Wände bedecken reale Liquen, eine Form von Flechten, die ohne Wasser auskommt und sich lediglich aus dem Gasgemisch der Luft ernährt, wie Zerbst erzählt.
„Witches of Everland“: Filmkunst mit Soundtracks von Louie und DJ Koze
Seine stärkste Arbeiten leben von der Reibung aus fast altmeisterlichem Kunsthandwerk und den surrealistischen, popkulturellen Inhalten und medialen Einsprengseln. Auch markante Gebäude aus Braunschweig oder Wolfenbüttel tauchen in den fantastischen Welten zuweilen auf. Auch wenn Zerbsts Bilder zuweilen unheimlich wirken, überwiegt das spielerische, träumerische, erotische Element doch meist das Dystopische. So auch in seiner Kurzfilm-Trilogie „Witches of Everland“, die Teil der Ausstellung ist. Die poetische Mixtur aus Animation, realen und gezeichneten Szenerien und Figuren erzählt von den Erlebnissen einer kleinen mechanischen Eule auf einer magischen Weltreise. Die Soundtracks haben Louie von Silent Radio und Szene-DJ Koze geschrieben.
Die Schau „Neuronenfeuer & Pollenflug“ ist bis zum 25. Mai in der „Vita-Villa“, Kleiner Zimmerhof 9, in Wolfenbüttel (Di. und Do. 11-17, Sa. 11-15 Uhr) und der „Vita-Mine“, Karl-Marx-Straße 6, in Braunschweig (Mo./Mi./Fr. 11-17, So. 11-15 Uhr) zu sehen. Vom 9. Mai an präsentiert Galerist, Autor und Musiker Thorsten Stelzner in der „Vita-Villa“ auch jeweils donnerstags ab 17.30 Uhr wieder die beliebten „Steg-Konzerte“ an der Oker.
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