Braunschweig. Der frühere Bundesliga-Fußballer und Buchautor plaudert in der Stadtbibliothek über seine Karriere – und verrät noch einiges mehr.

Immer wieder müssen neue Stühle her. Der Bereich im 3. Obergeschoss der Braunschweiger Stadtbibliothek ist proppevoll und es kommen immer noch mehr Neugierige. Rund 200 Besucher werden es letztlich, einige von ihnen in Fankleidung des SC Freiburg oder Werder Bremen. Zu Gast ist mit Nils Petersen ein ehemaliger Profifußballer, der direkt im Anschluss an sein Karriereende im vergangenen Sommer mit „Bank-Geheimnis“ eine Autobiographie herausgab. Im Gespräch mit BZ-Redakteur Lukas Mauri berichtete der heute 35-Jährige dem Publikum von der einen oder anderen Anekdote – und plauderte vorab auch im persönlichen Gespräch mit Sport-Redakteur Henning Thobaben über Freiburg-Trainer Christian Streich, seine Zukunftspläne und sein Verhältnis zu Eintracht Braunschweig. Denn: Petersen stammt aus Wernigerode im Harz und hat einen engeren Bezug zu unserer Region. Zu der Veranstaltung in der Stadtbibliothek begleiteten ihn sogar seine Mutter und seine Oma.

Nils Petersen über....

...seine Rolle als Buchautor und Protagonist in Lesungen, wo er sich in seinem Werk doch eigentlich als schüchternen Menschen beschreibt: Eigentlich sind mir solche Auftritte vor vielen Menschen auf der Bühne gar nicht so angenehm. Als Fußballer war ich Teamplayer, da konnte ich mich auch mal hinter den anderen verstecken. Bei Lesungen sitze ich alleine da vorne und bin Alleinunterhalter. Da bin ich schon etwas nervös.

...den Prozess des Schreibens: Ich habe viel auf dem Tablet gemacht. Vieles ist bei Auswärtsfahrten entstanden. Da sind im Bus die Gardinen oft zu, im Hotel hat man meist ein Einzelzimmer. Da bleibt viel Zeit und es bekommt keiner groß was mit. Es wäre mir auch unangenehm gewesen, wenn Mitspieler gesagt hätten: Guck mal, jetzt schreibt der wieder an seinem Buch. Ich hatte es zur Hälfte fertig und habe dann noch einmal für ein Jahr in Freiburg verlängert. So blieb mir noch genug Zeit, um es während meiner aktiven Zeit beinahe fertigzustellen. Aber nur deshalb habe ich nicht noch mal für ein Jahr unterschrieben (lacht).

...sein Verhältnis zu Eintracht Braunschweig: Als Kind war ich Eintracht-Fan. Ich komme aus Wernigerode und da gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Braunschweig oder Magdeburg. Mit meinem Vater bin ich einige Male ins Eintracht-Stadion gegangen. Der war früher Kadertrainer, sodass ich auch oft auf anderen Sportplätzen der Stadt war, zum Beispiel bei den Freien Turnern oder in Ölper. Als Profi habe ich mein erstes Zweitligaspiel mit Jena in Braunschweig absolviert. Das war noch zu Jürgen Risches aktiven Zeiten. Ich saß aber nur auf der Bank und wurde auch nicht eingewechselt. Später hat sich mein Weg noch mit einigen ehemaligen Braunschweig-Profis gekreuzt: Rafal Gikiewicz zum Beispiel oder Havard Nielsen, Patrick Kammerbauer und Felix Kroos.

...den VfL Wolfsburg: Zum VfL habe ich keinen Bezug, aber ich habe auch nichts gegen ihn. Okay, Leipzig schafft es auch, die Menschen zu mobilisieren und in Wolfsburg haben sie oft Probleme, das Stadion zu füllen. Aber das ist ja wiederum das Schöne für Braunschweig. Da kann man sagen: Wir spielen zwar nicht Bundesliga, aber dafür haben wir mehr Fankultur und Hingabe für den Klub.

...seine psychischen Probleme und Schlafstörungen, wegen der er während seiner aktiven Zeit rund eineinhalb Jahre in Therapie war: Es war eine schwierige Zeit, aber es war mir wichtig, dass es in dem Buch vorkommt. Letztlich habe ich dem Thema gar nicht so viele Zeilen gewidmet, aber es war mir auch klar, dass es von den Medien ohnehin aufgegriffen und gepusht wird. Ich bekomme immer noch viele Anfragen, um in Podcasts darüber zu sprechen. Aber ich will auch nicht jeden Tag über mentale Gesundheit reden. Zuerst hatte ich gedacht: Mache ich das öffentlich? Was sollen denn die Menschen sagen, die andere Krankheiten oder Existenzängste haben? Aber letztlich war die Resonanz sehr positiv. Viele haben gesagt: Krass, selbst ein Bundesligaprofi hat solche Sorgen.

...die Tatsache, dass er nicht wie andere Ex-Profis über seine früheren Weggefährten herzieht: Ich bin mit keinem angeeckt. Ich hatte keine ekligen Mitspieler und konnte gar nichts Negatives berichten. Meine Frau sagt auch immer: Du kommst mit jedem klar. Insofern musste auch niemand Angst haben, dass ich ein Buch herausgebe. Aber selbst wenn es Vorfälle gegeben hätte, wäre es nicht meine Art, so etwas per Buch öffentlich zu machen.

...den scheidenden Freiburg-Trainer Christian Streich: Von ihm habe ich auch schon zwei Bücher geschenkt bekommen. Eins davon war von Albert Camus, eher schwere Kost also. Er ist ein absoluter Bücherwurm, er hat mir auch schon von der Buchmesse einen Lesetipp geschickt. Aus persönlicher Sicht habe ich mich für ihn gefreut, dass er sein Ende in Freiburg angekündigt hat. Ich glaube, der schläft fünf Stunden und in den übrigen 19 Stunden rattert es unentwegt in seinem Kopf. Bundesliga, das zehrt schon. Man muss ja nicht immer erst dann gehen, wenn ein Verein absteigt.

...seine eigene berufliche Zukunft: Aktuell stehe ich beim SC Freiburg nicht unter Vertrag. Es läuft aber darauf hinaus, dass sich das im Sommer ändert. Ich könnte mir einen Job oberhalb der Katakomben vorstellen, unterhalb gibt es mir zu viele Schleudersitze. Zurzeit bin ich noch ab und zu als TV-Kommentator im Einsatz und habe in der Rolle schon vier Champions-League-Spiele begleitet. Das macht mir Spaß, auch wenn es mir manchmal unangenehm ist, zu allem meinen Senf dazuzugeben.

...seine sporadischen Einsätze für den Blankenburger FV in der Landesliga: Mein bester Freund und Trauzeuge spielt dort. Deshalb bin ich ab und zu dabei. Es macht Spaß, aber ich nehme es auch ernst. Mir selbst Druck zu machen, das kann ich schlecht ablegen. Die Jungs lachen immer, wenn ich sage, dass ich vor dem Spiel angespannt bin. Wahrscheinlich bin ich auch derjenige, der sich vor einem Spiel von allen am besten ernährt. Ich habe diese Saison fünf Spiele gemacht, dabei drei Tore erzielt. Die Mannschaft kämpft trotzdem gegen den Abstieg.