Wolfsburg. DFB-Pokalfinale und Platz 2 sind jetzt die Wolfsburger Ziele nach der 0:4-Abfuhr im Bundesliga-Spitzenspiel gegen Bayern München.
So früh mussten die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg die Meisterschaft schon seit acht Jahren nicht mehr abschreiben. 2015/16 hatte der FC Bayern am Ende zehn Punkte Vorsprung auf die Wölfinnen, seitdem war es immer richtig eng im Titelrennen. Doch seit Samstagabend und der 0:4-Abfuhr im Spitzenspiel vor der Wolfsburger Frauenfußball-Rekordkulisse von 24.437 Fans in der VW-Arena ist klar, dass es in diesem Jahr nicht mehr zum Titel in der Bundesliga reichen wird. Wichtig wird jetzt sein, dass die Mannschaft trotzdem nicht nachlässt.
Das war‘s mit der Meisterschaft: Die VfL-Frauen verlieren
Sieben Punkte beträgt der Rückstand fünf Spieltage vor dem Saisonende auf den amtierenden Meister, der noch auf Schlusslicht Duisburg, Werder Bremen, Aufsteiger Nürnberg, Bayer Leverkusen und die TSG Hoffenheim trifft. Allein der TSG ist am letzten Spieltag eine Überraschung gegen diese konstant aufspielende Mannschaft um die Ex-Wolfsburgerin Pernille Harder zuzutrauen. Doch dann ist das Titelrennen mit großer Wahrscheinlichkeit längst entschieden.
VfL-Trainer Stroot: Mich würde überraschen, wenn da noch mal Spannung aufkommt
Daraus machte am Samstagabend auch niemand einen Hehl. „Mich würde es überraschen, wenn da noch mal eine gewisse Spannung aufkommt“, meinte VfL-Coach Tommy Stroot. „Das wird sich Bayern nicht mehr nehmen lassen. Ich glaube, das braucht man jetzt auch nicht schönzureden“, befand Nationalverteidigerin Kathrin Hendrich. Und Jule Brand pflichtete bei: „Rein rechnerisch ist es ja noch möglich. Aber wir sehen das schon sehr realistisch.“
Einmal mehr wird dieses deutliche Ergebnis das immer wieder aufkommende Thema einer vermeintlichen Wachablösung im deutschen Frauenfußball befeuern. Damit einher geht schließlich auch der Wechsel von Lena Oberdorf, die von einer Ausstiegsklausel in ihrem VfL-Vertrag bis 2025 Gebrauch macht, zum direkten Konkurrenten im Sommer. Dass die Bayern in den kommenden Jahren der noch viel klarere Titelfavorit sein werden, wissen sie auch in Wolfsburg. Schließlich befinden sich die Wölfinnen in einem großen Umbruch; im Winter verließ Felicitas Rauch den Klub,Co-Kapitänin Dominique Janssen lässt ihren Vertrag im Juni auslaufen. Ob die Münchnerinnen auch eine solche Dekade prägen können, wie es der VfL getan hat, muss sich erst zeigen.
Bayern-Trainer fühlt mit Kollege Stroot
Und auch am Samstag war es bei weitem nicht so deutlich, wie es das Ergebnis vermuten lässt. In Durchgang 1 war es ein komplett offenes Spiel mit Topchancen auf beiden Seiten. Die vielleicht beste hatten dabei die Wolfsburgerinnen, doch Sveindis Jonsdottir scheiterte frei vor Bayerns Keeperin Mala Grohs. „Es war ein sehr enges Spiel“, befand Bayerns Coach Alexander Straus. Einen „Battle auf internationalem Niveau“ sah Stroot. Sein Gegenüber Straus fühlte mit dem Wolfsburg Trainer. Er kennt die Situation, denn vor einem Jahr hatten die Münchnerinnen im DFB-Pokal-Halbfinale zu Hause eine 0:5-Niederlage kassiert. Auch da hatte der Endstand nicht dem Spielverlauf entsprochen.
Am Samstag in der VW-Arena reichte eine Unaufmerksamkeit, um auf die Verliererstraße zu geraten. Nach einer kurz ausgeführten VfL-Ecke stibitzte Nationalspielerin Klara Bühl einen unsauberen Pass von Nuria Rabano, zündete den Turbo und bediente Harder. Die ließ Hendrich aussteigen, und ihren Schuss fälschte Chantal Hagel zu allem Überfluss noch entscheidend ab. Jetzt waren die Bayern sieben Punkte vorne. „Mit dem 0:1 wollten wir unbedingt eine Entscheidung. Das heißt, dass wir sieben Punkte für uns nicht akzeptieren konnten und alles daran setzen wollten, als Gewinner vom Platz zu gehen“, sagte Wolfsburgs Trainer.
Kathrin Hendrich: 0:4 - das klingt auf jeden Fall böse
Die richtig großen Abschlüsse hatte der VfL nicht, und so entschied die bayerische Kaltschnäuzigkeit dieses Spitzenspiel. Eine direkt verwandelte Ecke von Bühl sowie Lea Schüller und Georgia Stanway besorgten den Rest, und die Vorentscheidung im Titelrennen. Hendrich sagte offen: „Bayern war im Gegensatz zu uns einfach effektiv. 0:4 - das klingt auf jeden Fall böse. Ich glaube, das spiegelt nicht ganz das Spiel wider, aber am Ende haben wir verloren und keine Punkte geholt.“
Stroot gab zu, dass es am Ende auch eine Frage der Qualität war. Anführerin Alexandra Popp war für das Spitzenspiel ausgefallen. Zu allem Überfluss verletzte sich nach 20 Minuten mit Abwehr-Ass Marina Hegering (Wade/Untersuchung am Montag) eine weitere Führungsspielerin, was einen Einfluss auf die gesamte Statik der Vierer-Abwehrkette hatte. „Das sind natürlich zwei Spielerinnen, die für eine gewisse Mentalität stehen und natürlich auch eine wahnsinnige Erfahrung mitbringen.“ Der Trainer weiter: „Vielleicht kann da hinten raus eben nicht die Qualität immer da sein kann.“
Pokal-Halbfinale steht bevor: Der VfL hat keine Zeit zum Wundenlecken
Und jetzt? Nach der verpassten Qualifikation für die Gruppenphase der Champions League gegen Paris FC war das nationale Double das erklärte große Ziel. Doch es ist jetzt keine Zeit zum Wundenlecken in Wolfsburg. Am Ostersamstag (13 Uhr, AOK-Stadion) geht es gegen Ligakonkurrent SGS Essen um den erneuten Einzug ins DFB-Pokalfinale. Es wäre der zehnte hintereinander, die vergangenen neun Auflagen gewannen die Grün-Weißen allesamt. Im Finale in Köln (9. Mai, 16 Uhr) könnte es erneut zum Duell mit München (Ostersonntag gegen Eintracht Frankfurt) kommen.
Und auch wenn es vielleicht banal klingt: Nach der Länderspielpause dürfen sich die Wölfinnen auch in der Liga nicht viel erlauben, die Punkte nicht abschenken. Schon jetzt müssen sie zu Beginn der Saison 2024/25 und nach Olympia als potenzieller Vize-Meister erneut in eine schwierige Königsklassen-Quali mitten in einem personellen Umbruch. Doch Platz 3 und zwei Quali-Runden vor der Gruppenphase wären noch einmal schwieriger. Fünf Zähler beträgt der Vorsprung auf Hoffenheim mit Ex-VfL-Trainer Stephan Lerch. Das ist noch beruhigend. Aber angesichts der vergebenen VfL-Großchancen gegen Bayern, vor allem aber zuvor in Hoffenheim (1:2), ist Vorsicht geboten. Den Negativtrend mit den zwei verlorenen Spitzenspielen muss das Team schleunigst stoppen. Hendrich verspricht: „Wir werden natürlich weiterhin alles geben, um unsere Spiele zu gewinnen. Man sieht ja, wenn man das nicht tut, verliert man unnötig Punkte.“