Helmstedt. Die Gewerkschafterin forderte in Helmstedt mehr Tarifbindung und soziale Gerechtigkeit – und warnte vor Eingriffen ins Streikrecht.

Mehr Tarifbindung, mehr soziale Gerechtigkeit, weniger Armut und vor allem Kinderarmut. Das waren zentrale Forderungen von VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo zum 1. Mai. „Tarifverträge fördern Gleichbehandlung und Gerechtigkeit“, betonte sie und zitierte eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stifung: „Je höher die Tarifbindung in einem Land ist, desto geringer ist die Einkommensungleichheit.“

Bestes Wetter, ernste Themen: Das galt für Cavallos Auftritt am Tag der Arbeit. Ihre Rede hielt sie allerdings nicht etwa in ihrem Heimatort Wolfsburg, der VW-Zentrale. Stattdessen trat sie auf dem von historischen Gebäuden hübsch umrankten Marktplatz in Helmstedt auf. Dort hätte sie schon im Vorjahr sprechen sollen, doch verhinderte eine Erkrankung ihren Auftritt.

Cavallo sprach in Helmstedt – der Kreis gilt als künftige Boom-Region

Seitdem hat sich nicht nur bei VW viel getan, sondern auch im Kreis Helmstedt. Der gilt inzwischen bei Wirtschaftsbeobachtern und -förderern als kommende Boom-Region. Die Hoffnung: Helmstedt soll von dem Bau der Intel-Chipfabrik im nicht allzu fernen Magdeburg profitieren. Dort sollen nicht nur Tausende von Jobs entstehen, sondern zig Milliarden Euro investiert werden. Wie wäre es mit der Ansiedlung von Zulieferern im Kreis Helmstedt?

Das allerdings spielte am Mittwoch allenfalls eine nachgeordnete Rolle. Das Hauptaugenmerk der geschätzt 500 Besucherinnen und Besucher der Mai-Feierlichkeiten gehörte Cavallo. Sie betonte die Bedeutung der Gewerkschaften. „Nur unter dem Druck von uns Gewerkschaften war es politisch durchsetzbar, die Energiepreisbremsen bis zu diesem Winter fortzusetzen. Und genau so muss es auch beim Thema Tarifbindung weitergehen! Wir müssen Druck machen. Nur dann folgt die Politik.“

VW-Betriebsratschefin Cavallo kritisiert Tarifflucht

Die Voraussetzung dafür sei aber, dass sich die Menschen einsetzten. „Als Betriebsräte und als Personalräte, als Vertrauensleute, in der Jugend- und Auszubildendenvertretung, eben als Stimme der Arbeit in der betrieblichen Mitbestimmung. Und als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihren Belegschaftsvertretungen den Rücken stärken“, sagte Cavallo.

Die Betriebsratschefin beklagte die Tarifflucht vieler Betriebe, sprach gar von einem Ausbluten. „Zur Jahrtausendwende hatten in Westdeutschland noch fast acht von zehn Beschäftigten einen Tarifvertrag. Im Osten waren es immerhin rund zwei Drittel. Seither ging es dramatisch bergab. Aktuell profitiert bundesweit gerade mal noch die Hälfte der Beschäftigten von der Tarifbindung.“ Das gelte auch für Niedersachsen. Tarifverträge stünden für durchschnittlich 12 Prozent mehr Entgelt, mehr Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie andere Vorteile.

Cavallo warnt vor Eingriffen ins Streikrecht

Cavallo warnte vor Eingriffen in das Streikrecht. Dabei hatte sie wohl die Diskussionen um die Tarifauseinandersetzung zwischen Lokführern und der Bahn im Blick, in denen eben Beschränkungen des Streikrechts thematisiert wurden. „Wer unser Streikrecht in Frage stellt, stellt ein demokratisches Grundrecht in Frage. Und erntet unseren erbitterten Widerstand“, drohte sie.

3500 Menschen bei der Maikundgebung auf dem Wolfsburger Rathausplatz

Die von der IG Metall veranstaltete Maikundgebung auf dem Wolfsburger Rathausplatz verfolgten nach Angaben der Gewerkschaft etwa 3500 Menschen. Hauptredner nach Flavio Benites (1. Bevollmächtigter der IG Metall) und Oberbürgermeister Dennis Weilmann war Stephan Weil. Für seine trotz leichter Heiserkeit mit kraftvoller Stimme vorgetragene Rede bekam der niedersächsische Ministerpräsident immer wieder Applaus.

Ministerpräsident Stephan Weil sprach bei der Maikundgebung auf dem Wolfsburger Rathausplatz.
Ministerpräsident Stephan Weil sprach bei der Maikundgebung auf dem Wolfsburger Rathausplatz. © regios24 | Lars Landmann

Weil betonte, das Land Niedersachsen stehe als Anteilseigner für gute Arbeitsbedingungen bei VW ein. Er sprach sich gegen die Kürzung von Renten und Sozialleistungen sowie gegen Steuererhöhungen aus und forderte einen fairen Mindestlohn. Zudem warnte Weil vor zunehmendem Rechtspopulismus und appellierte, sich an der Europawahl am 9. Juni zu beteiligen. „Europa – das ist unsere Zukunft!“