Braunschweig. Experten erklären, was genau sie beunruhigt. Die Keller sind zwar leergepumpt, doch längst nicht alle Schädenbeseitigt.

Acht Wochen ist es mittlerweile her, dass Braunschweigs Flüsse über die Ufer traten. Im gesamten Stadtgebiet erlebt man allerdings noch heute die Folgen des Weihnachtshochwassers. Entwarnung geben Experten darum noch nicht.

Gesperrte Straßen und Brücken, unpassierbare Wege, Wasser in unzähligen Kellern und Häusern. Ein Hochwasser, das rein rechnerisch alle 20 Jahre auftritt, verwandelte zum Jahresausklang die Stadt. Bis heute ist das zu spüren. Ob am Südsee, bei Watenbüttel, an Schunter oder Mittelriede – Normalität hat sich längst noch nicht eingestellt. Und wenn derReiterhof „Aktiv-Reiten“ an der Ottenroder Straße mittlerweile eine „Notfall-Wiese“ sucht, dann ist vielerorts die Hoffnung auf schnelle Besserung dahin.

Blick auf Leiferde am 27. Dezember 2023. Die Oker hat riesige Flächen überflutet. (Archiv)
Blick auf Leiferde am 27. Dezember 2023. Die Oker hat riesige Flächen überflutet. (Archiv) © FMN | Jörn Stachura
Der Vergleich: Die riesigen Wasserflächen des Weihnachtshochwasser sind bei Leiferde verschwunden. Doch überall ist das Wasser noch nicht versickert. 
Der Vergleich: Die riesigen Wasserflächen des Weihnachtshochwasser sind bei Leiferde verschwunden. Doch überall ist das Wasser noch nicht versickert.  © FMN | Jörn Stachura

Dabei hat sich viel geändert. Seitens der Stadtverwaltung wird die Situation so beschrieben: „Die Wasserstände von Oker und Schunter bleiben aufgrund der gefüllten natürlichen Speicher – die Böden sind wassergesättigt – auf hohem Niveau, erreichen aber bis auf Weiteres nicht wieder die Wasserspiegel der Meldestufe 3 oder gar die des Weihnachtshochwassers.“ Tatsächlich: Die Oktertalsperre könnte noch vier Millionen Kubikmeter Wasser aufnehmen und ist nur zu 91 Prozent gefüllt. Die Mess-Stationen des Landes Niedersachsen weisen an der Schunter bei Harxbüttel Meldestufe 2 auf. Meldestufe 1 gilt an den Oker-Mess-Stationen vor Braunschweig.

Hoher Grundwasserspiegel verhindert das Versickern

Das klingt beruhigend und ist es ein gutes Stück auch. Den Unterschied zum Weihnachtshochwasser beschreibt Matthias Disterheft so: „Damals waren die Böden aufnahmefähig. Heute nicht. Der Grundwasserspiegel im Stadtgebiet ist heute enorm hoch. Das Wasser kann oft nicht mehr versickern und steht darum auf der Oberfläche.“

Thomas Hartmann mit Enkel Henry, der fasziniert ist vom vielen Wasser der Mittelriede. Auch bei Riddagshausen steht das Wasser noch hoch.
Thomas Hartmann mit Enkel Henry, der fasziniert ist vom vielen Wasser der Mittelriede. Auch bei Riddagshausen steht das Wasser noch hoch. © Peter Sierigk | Peter Sierigk

Disterheft ist mit Hochwasser aufgewachsen, wohnt in Leiferde, das besonders schwer betroffen war, ist Bezirksbürgermeister dort und auch Feuerwehr-Ehrenbrandmeister in Braunschweig. Täglich konnte er sehen, wie die riesige Wasserfläche auf den Hochwasser-Rückhalteflächen bei Leiferde und Stöckheim kleiner und kleiner wurde – aber nicht verschwand. „Die heute überschwemmten Flächen werden mit jedem Regen wieder größer. Das ist unabhängig vom Pegelstand der Flüsse.“

Abenteuerland Mittelriede: Miro prüft in Gummistiefeln, wie weit sich bei Riddagshausen der Weg begehen lässt.
Abenteuerland Mittelriede: Miro prüft in Gummistiefeln, wie weit sich bei Riddagshausen der Weg begehen lässt. © Peter Sierigk | Peter Sierigk

Die Schäden für Landwirte, sagt Disterheft, ließen sich noch nicht überblicken: „Pflanzen, die heute überschwemmt sind, werden ersticken oder sind es bereits. Was überschwemmt war, konnte nicht gedüngt werden. Alle, die während der Frosttage im Januar nicht düngen konnten, werden eine kleinere Ernte haben, weil die Böden nun wieder zu weich für schwere Maschinen sind.“ Wann tritt deutliche Besserung ein? „Wenn die Frühjahrssonne das Wasser auf den Feldern verdunsten lässt.“

Neue Aufgaben für die Freiwilligen Feuerwehren?

Im Süden Braunschweigs hat man mittlerweile mit der Aufarbeitung des Hochwassers begonnen. Die Keller sind längst leergepumpt. Doch die Schäden lassen sich nicht einfach per Sperrmüll beseitigen. In Leiferde drang Hochwasser in die Kanalisation ein. „Fäkalien wurden in die Keller geschwemmt. Es bildet sich gesundheitsschädlicher Schimmel. Fliesen, Putz, Estrich – alles, was mit dem Wasser in Berührung kam, muss raus. Enorme Schäden sind entstanden“, so Disterheft, der selbst betroffen ist.
Im Bezirksrat wird mittlerweile gefragt: Wie konnte das passieren? Muss das Kanalnetz ertüchtigt werden? Wer sorgt für Rückschlagventile? Wer sorgt dafür, dass der Wasserdruck in der Kanalisation auf der Fahrbahn die Kanaldeckel nicht anhebt – die Freiwilligen Feuerwehren? Antworten gibt es noch keine.

Die Oker in der Nähe von Watenbüttel. Begehen oder nutzen lässt sich dort noch nichts.
Die Oker in der Nähe von Watenbüttel. Begehen oder nutzen lässt sich dort noch nichts. © Peter Sierigk | Peter Sierigk

Ungelöst auch das Problem, so Disterheft: „Jeder weiß, dass das Stadtgebiet viel zu klein ist, um Rückhalteflächen in einer Größe anlegen zu können, dass sie vor einem 100-jährigen Hochwasser schützen.“ Deichbau sei zwar möglich: „Eine 500 Meter lange Barriere in der Schuntersiedlung wird 1,1 Millionen Euro kosten. Ohne Fördergelder ist ein stadtweiter Hochwasser-Schutz für die Stadt Braunschweig überhaupt nicht zu finanzieren.“


Hier eine Bildergalerie vom Hochwasser in Braunschweig:

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