Gifhorn. Aus diesen Gründen will der Kreisverband das milliardenschwere Verkehrsprojekt erneut vor dem Bundesverwaltungsgericht ausbremsen.

Die einen hoffen. Die anderen bangen. Die Autobahn GmbH erwartet den Planfeststellungsbeschluss für die neue Autobahn 39 von Tappenbeck nach Ehra im Landkreis Gifhorn „vermutlich in den nächsten Wochen“. Mit dem dann verbindlichen Änderungs- und Ergänzungsverfahren wollen die Planer den Einwänden des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts vom Juli 2019 gerecht werden und endlich bauen.

Für die BUND-Kreisgruppe Gifhorn steht fest: Sie klagt erneut, wie Sprecherin Eva Gresky mitteilte. Wie gegen den ersten Planfeststellungsbeschluss von 2018 für die 14,2 Kilometer messende Strecke des ersten Bauabschnitts werde formell der Landesverband des Bunds für Umwelt- und Naturschutz vor Gericht ziehen. Gresky: „Die Arbeit machen wir. Spenden müssen noch gesammelt werden.“

Eva Gresky, Vorstandsmitglied BUND-Kreisgruppe Gifhorn, begründet die neuerliche Klage des Verbands gegen die Baupläne der Autobahn 39 durch den Landkreis Gifhorn.
Eva Gresky, Vorstandsmitglied BUND-Kreisgruppe Gifhorn, begründet die neuerliche Klage des Verbands gegen die Baupläne der Autobahn 39 durch den Landkreis Gifhorn. © FMN | Christian Franz

So mächtig die Klageakten sind, so klar ist das Anliegen der Naturschützer: „Man darf in unserer Zeit keine neue Autobahn mehr bauen“, betont Evy Gresky. Nicht die 14,2 Kilometer bis Ehra.. Nicht die nächsten 18,1 Kilometer im Teilstück bis Wittingen. Nach neusten Berechnungen kostet der gesamte Neubau von Wolfsburg bis Lüneburg den Steuerzahler 1,6 Milliarden Euro.

Die Karte zeigt den Verlauf des geplanten Neubaus der Autobahn 39 durch den Landkreis Gifhorn nach Norden.
Die Karte zeigt den Verlauf des geplanten Neubaus der Autobahn 39 durch den Landkreis Gifhorn nach Norden. © FMN | Jürgen Runo

Doch dem BUND geht es nicht ums Geld, sondern ums große Ganze. „Die Bedrohungslage beim Klimawandel ist unbestritten hoch, wie jüngst die Europäische Umweltagentur in ihrem Bericht darstellt.“ Flächenverbrauch und Artenschwund erhöhten die Klimarisiken weiter, beschreibt Gresky die Folgen des Autobahnprojekts. Die Forderung des BUND lautet, stattdessen den 2015 detailliert geplanten dreistreifigen Ausbau der bestehenden Bundesstraße 4 mit Ortsumgehungen umzusetzen. Zumal parallel zur Plantrasse der A 39 bereits die neue Autobahn 14 in Nord-Süd-Richtung gebaut werde.

Das versprechen sich die Befürworter von der neuen Autobahn

Die Befürworter der Autobahn 39 kontern, eine moderne Verkehrsinfrastruktur vermeide Staus und verringere Emissionen. Zudem sehen sich die vier Verwaltungschefs der A-39-Kreise von den Einwohnern unterstützt. Mehr als 70 Prozent der Einwohner Gifhorns, Wolfsburgs, Uelzens und Lüneburgs seien für den A-39-Lückenschluss, hatte eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag der Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg 2022 ergeben.

Die Regionsspitzen messen der Autobahn eine zentrale Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Norddeutschland bei. Überhaupt sei die A 39 auf Jahre hinaus „das wichtigste Infrastrukturprojekt für die ganze Region und den Anschluss des ländlichen Raums an das überregionale Verkehrsnetz“, hatte Gifhorns Landrat Tobias Heilmann mit seinen Amtskollegen aus Lüneburg und Uelzen und Wolfsburgs Oberbürgermeister Dennis Weilmann formuliert.

Genau dieser Sichtweise widerspricht der BUND: „Man darf keine neue Verkehrsader in die größte zusammenhängende Fläche einer intakten Kulturlandschaft bauen. Die Vernichtung noch bestehender CO2-Speicher wäre katastrophal“, warnt Eva Gresky. Verloren wäre das letzte von Autobahnen unzerstörte Gebiet. Die Abstände zwischen A 14, A 39 und A 7 wären nicht mehr groß genug für die Regeneration von gefährdeten Arten.

Einen Verlust an Prosperität, wie sie die Landräte sich erhoffen, will der BUND im Verzicht auf die Autobahn nicht erkennen. Wissenschaftler sähen keinen Zusammenhang mehr zwischen Unternehmensansiedlungen und Autobahnbau. Die Investoren setzten vielmehr auf Argumente wie Steuervorteile. Verkehrsmäßig sei das dicht besiedelte Deutschland längst ohne weitere Autobahn „völlig erschlossen“.

Zerstört die Autobahn die letzte ökologische Reserve Deutschlands?

Dagegen verweist Gresky ihrerseits auf verpasste Klimaziele. Zwar habe sich Klimaschutzminister Robert Habeck gerade für einen zehnprozentigen Rückgang der CO2-Emissionen 2023 gefeiert. „Aber der Verkehrs- und Gebäudesektor sind außen vor. Gerade der Verkehr hat eine Bringschuld“, mahnt Gresky. Und dann wolle man eine wirtschaftlich unsinnige Autobahn durch Naturschutzgebiete führen? „Die durch den Bau der A 39 betroffene Region ist eine wertvolle ökologische Reserve in unserem dicht besiedelten Land, weil es sich um eine Landschaft handelt, die nicht durch extremen Straßenbau und Industrieansiedlungen belastet ist. Nur deshalb existieren dort noch empfindliche Arten. Wir müssen bedenken, dass wir mit 84,7 Millionen Menschen so viele Einwohner wie noch nie haben. Es ist für uns alle notwendig, einen Ausgleich zu den Ballungsgebieten zu erhalten, denn wenn wir die Verinselung der Natur durch Straßenbau immer weiter vorantreiben, schädigen wir unsere Gesundheit und unsere Nachkommen, weil wir die Biosphäre zerstören.“

Plakativ betont Gresky: „Wir verlangen von ärmeren Staaten den Schutz des Regenwaldes, sind aber nicht bereit, in unserem reichen Land genügend Flächen der ungestörten Entwicklung der Artenvielfalt zu überlassen.“ Gresky erinnert daran, dass nicht nur der Februar 2024 der wärmste je erfasste Monate gewesen sei. Auch der Januar war ein Negativ-Rekordmonat ebenso wie das ganze Jahr 2023. „Der Kontinent Europa erwärmt sich am schnellsten.“

Darum sieht der BUND selbst Landwirte in der Bredouille

Artenvielfalt, Erderwärmung, Flächenverbrauch? Aus Sicht des BUND hängt all das zusammen. Setzten die Autobahnplaner für Natureingriffe doch auf Ausgleichsflächen. Solche fehlten aber längst woanders, so Gresky. Zudem wachse die Flächenkonkurrenz. Gerade habe die EU-Kommission eine Genehmigung erteilt, die Landwirten weiterhin das Aussetzen der Stilllegungspflicht von vier Prozent der Anbaufläche gestattet. Eigentlich sollten durch die Stilllegungen Ökokreisläufe renaturiert werden. Gresky hegt sogar Verständnis für die Sorgen der Landwirte. Dennoch sieht sie: „Ein Rückgang der Tierwelt verstärkt Klimaschäden. Insekten sind eine wichtige Grundlage für die Pflanzenwelt, deren CO2-Speicherfähigkeit so wichtig ist.“ Folglich dürfen keine weiteren Flächen für den Autobahnbau beansprucht werden. Gresky: „Die vorhandenen Flächen werden von den Landwirten und für den Naturschutz gebraucht.“

Sogar die bäuerliche Kulturlandschaft bedrohe die Trasse: „Landwirte leiden“, weiß Eva Gresky. Die A 39 bringe Unruhe in die Höhe. Die zwangsläufige Flurbereinigung zerstöre das gewachsene System aus Ländereien, Bewässerung und Wirtschaftswegen.

Im Bauabschnitt VII zwischen Tappenbeck und Ehra sieht der BUND Gresky zufolge noch ein zusätzliches Risiko. Dort gehe es um Grundwasserreserven. „Der geplante Rastplatz Jembke ist höchst umstritten. Das sogenannte Ise-Lockergestein links ist eine wichtige Ressource“, schildert Gresky. Sie gerate in Gefahr, wenn dort wie geplant massenweise Sand aus dem Untergrund als Basis des Rasthofs aufgespült werde und ein künstlicher See zurückbleibe.

Am Ende zähle, den Verbrauch von Land für die Autobahn zu stoppen und nicht noch mehr Verkehr in das dicht besiedelte Land zu holen, resümiert Gresky. Verantwortung der Politik sei, diese großen Probleme zu erkennen und zur Lösung beizutragen. Mit dem Vorschlag, die B4 auszubauen, will der BUND seinen konstruktiven Beitrag leisten. Gelingt das nicht, geht es mit Vollgas auf den Rechtsweg.

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