Salzgitter. Im Juli 2014 tötete ein Mann seinen Cousin brutal mit einem Samurai-Schwert. So hat das Landgericht Braunschweig am Freitag entschieden.

Knapp zehn Jahre nach der tödlichen Attacke mit einem Samurai-Schwert in Salzgitter ist der Angeklagte Kenneth R. (43) zu neun Jahren Haft verurteilt worden. Das Landgericht Braunschweig befand den Angeklagten am Freitag des Totschlags für schuldig. Nach Überzeugung des Schwurgerichts tötete der Deutsche mit philippinischer Abstammung im Juli 2014 seinen Cousin, in dem er ihm erst mit einer leeren Glasflasche auf den Kopf schlug und dann mehrfach mit einem Samuraischwert zustach und schlug. Selbst dann noch, als das Opfer schon wehrlos am Boden lag.

Der Täter aus Salzgitter „übertötete“ das Opfer

Richter Ralf-Michael Polomski sprach von der „unfassbaren Brutalität“ der Tat. Rechtsmediziner zählten 30 Verletzungen am Leichnam, dreizehn davon allein am Kopf. Vier von ihnen wären für sich genommen bereits tödlich gewesen. Letztlich starb der 41-jährige Marcus R. unter anderem daran, dass ein Schwerthieb sein Rückenmark durchtrennte. Oberstaatsanwalt Christian Wolters hatte den Tatort in seinem Plädoyer als regelrechtes „Schlachthaus“ bezeichnet. Fachleute bezeichnen das als „Übertöten“ – ein Umstand, der dem Schwurgerichtsvorsitzenden zufolge darauf hinweist, dass der Täter extrem wütend gewesen sein muss.

Die Tatwaffe, eine „Katana“, wird im Prozess vor dem Landgericht gezeigt. Am Griff fand man das Blut des Angeklagten, an der Klinge das des Opfers Marcus R.
Die Tatwaffe, eine „Katana“, wird im Prozess vor dem Landgericht gezeigt. Am Griff fand man das Blut des Angeklagten, an der Klinge das des Opfers Marcus R. © FMN | Erik Westermann

Zu Prozessbeginn hatte der Angeklagte die Verantwortung für den Tod seines Cousins eingeräumt. Einen Mord aus Habgier, wie von der Staatsanwaltschaft zunächst angeklagt, bestritt er aber. Nach seiner Schilderung eskalierte in der Wohnung des damals 41-Jährigen ein Streit, bei dem er sich auch bedroht fühlte. Ein Streit, der angeblich vom späteren Opfer ausging. Das Geständnis sei grundsätzlich glaubhaft, die Angaben zum Tathergang aber nicht, sagte der Vorsitzende Richter. 

Richter: Was zu dem Streit in der Wohnung in Salzgitter führte, bleibt ein Rätsel

Vor allem in den entscheidenden Passagen berief sich der Angeklagten auf Erinnerungslücken. Gleichzeitig räumte er ein, dass er die Wohnung hätte verlassen können, ohne sein Gegenüber zu töten. Spätestens, als er seinem Cousin dessen Schwert entrissen hatte. Dass Marcus R. die Waffe zuerst zückte, steht für das Gericht fest. Dass er den späteren Täter damit angriff, hingegen nicht. Es handelt sich um eine Deko-Waffe, die einem japanischen Katana-Schwert nachempfunden ist. Sie befand sich vermutlich in der Wohnung des Opfers, das Waffen sammelte. Was genau letztlich der Grund für den Streit war, sei nicht mehr zu klären, so Richter Polomski in der einstündigen Urteilsbegründung.

Die Staatsanwaltschaft war in ihrer Anklage davon ausgegangen, dass Kenneth R. seinen Cousin aus Habgier ermordete. Das ließ sich am Ende des Prozesses nicht aufrechterhalten. Jedoch sprach auch das Gericht davon, dass die Geldprobleme des Angeklagten über der Tat schwebten. Dem Familienvater stand das Wasser finanziell bis zum Hals: Er hatte in seiner Ehe, aus der zwei Söhne resultieren, einen Berg von Schulden angehäuft. Dazu trug seine Affäre mit einer Jugendliebe in seinem Geburtsland bei. Mehrfach besuchte er die Frau heimlich und unterstützte sie finanziell. Sein Saison-Job als Anstreicher reichte nicht, um die Kosten zu decken.

Der „Schwertmord“ in Salzgitter war 2015 Thema bei Aktenzeichen XY.
Der „Schwertmord“ in Salzgitter war 2015 Thema bei Aktenzeichen XY. © Quelle: ZDF | Screenshot: Alexandra Ritter

Am Tattag, dem 10. Juli 2014, suchte Kenneth R. den Vater seines Cousins auf, um ihn erneut um Geld zu bitten. Der Onkel jedoch ließ ihn abblitzen. Am selben Abend tauchte der Angeklagte bei dessen Sohn Marcus im Teichwiesenweg auf. Der ließ ihn in die Wohnung, wenig später war er tot. Richter Polomski sprach von einer „spontanen Tat“, eine Planung schien es nicht zu geben.

Schwert-Attacke: Wie der Täter auf die Philippinen flüchtete

Beim Gerangel um das Schwert verletzte sich der Angeklagte an der Hand, anschließend wusch er sich die Hände im Bad. Blutstropfen von ihm fanden sich auch im Hausflur. Seiner Schwester berichtete Kenneth R. danach, er habe sich die Verletzung beim Reifenwechsel zugezogen. „Nach einer unruhigen Nacht“, so Richter Polomski, beschloss er dann, seine Geliebte auf den Philippinen zu besuchen. In einem Reisebüro in Braunschweig buchte er einen Flug nach Manila – samt Rückflugticket. Den jedoch trat er nie an. Am Morgen vor dem Abflug stand er noch einmal vor der Tür seines Onkels, dessen Sohn er am Abend zuvor erschlagen hatte. „Warum“, sagte der Richter, „das bleibt ein Rätsel“. Erst drei Tage nach der Tat entdeckte der Vater seinen Sohn in dessen Wohnung.

Kenneth R. blieb er für neun Jahre in seinem Geburtsland, zeugte ein Kind, arbeitete dort ganz offiziell als Fahrer einer Getränkefirma und führte Touristen durchs Land.

Das Opfer lebte im Teichwiesenweg in Lebenstedt. (Archivbild)
Das Opfer lebte im Teichwiesenweg in Lebenstedt. (Archivbild) © Archiv | Alexandra Ritter

Dabei bestand seit Jahren ein internationaler Haftbefehl gegen ihn. Die Polizei hatte zumindest eine Ahnung davon. Doch erst als das Bundeskriminalamt im Jahr 2022 einen eigenen Verbindungsmann in den südostasiatischen Inselstaat entsandte, kam Bewegung in die Fahndung. Im Januar 2023 wurde er im Norden der Philippinen festgenommen – offenbar lebte er in dem Ort, aus dem seine Familie stammt.

Schwert-Attacke in Salzgitter: Warum der Täter in vier Jahren frei kommen könnte

Mit dem Strafmaß blieb das Gericht unter der Forderung der Staatsanwaltschaft von zwölf Jahren Haft wegen Totschlags. Die Verteidigung hatte vier Jahre wegen Totschlags in einem minder schweren Fall beantragt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, Revision dagegen ist möglich. 

Der Vater des Toten starb wenige Jahre nach seinem Sohn. Dass der Täter gefasst wird, erlebte er nicht mehr. Auch war kein anderer Verwandter des Opfers im Prozess anwesend. „Zehn Jahre später interessiert sein Tod offenbar niemanden mehr“, sagt Richter Polomski.

Der Angeklagte nahm das Urteil – wie fast den gesamten Prozess – mit gesenktem Blick auf. Seine Familie war auf seinen Wunsch hin nicht im Saal, sagte seine Verteidiger. Bei guter Führung könnte Kenneth R. schon in etwas mehr als vier Jahren zur Bewährung auf freien Fuß kommen: Denn seine Zeit in Abschiebehaft auf den Philippinen und die Zeit in U-Haft werden auf die Freiheitsstrafe angerechnet.