Berlin. Millionen Soldaten sind im Zweiten Weltkrieg gestorben. Nach der Staudamm-Explosion in der Ukraine sind nun einige Leichen aufgetaucht.

  • Immer noch werden Hunderttausende deutsche Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg vermisst
  • Ein Teil von ihnen fiel damals auf dem Gebiet, das heute in der umkämpften Ostukraine liegt
  • Durch den Bruch des Kachowka-Staudamms könnte das Schicksal von  einigen von ihnen geklärt werden

1,2 Millionen. Diese unvorstellbare Zahl an Menschen werden seit dem Zweiten Weltkrieg vermisst – etwa so viele, wie aktuell in der tschechischen Hauptstadt Prag leben. Der Großteil von ihnen dürfte inzwischen tot sein, gestorben während der Kampfhandlungen oder womöglich Jahre später, weit entfernt der Heimat. Nun könnte ausgerechnet ein neuer Krieg dazu beitragen, die unbekannten Schicksale einiger Opfer aufzuklären.

Ukraine-Krieg legt Leichen deutscher Soldaten offen

Denn seit dem russischen Überfall auf der Ukraine sind dort mehrfach menschliche Überreste gefunden worden, die von Soldaten der deutschen Wehrmacht stammen. Allein 2022 hat der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge in der Ukraine nach eigenen Angaben Überreste von 972 Gefallenen geborgen.

Der Verein wurde bereits nach dem Ersten Weltkrieg gegründet, um, inzwischen in staatlichem Auftrag, deutsche Kriegsgräberstätten im Ausland zu pflegen und nach noch nicht geborgenen deutschen Kriegstoten zu suchen.

Fast 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ist das eine enorme Herausforderung, doch noch ist die Arbeit des Volksbunds erfolgreich: Im vergangenen Jahr wurden die Überreste von mehr als 10.000 Menschen umgebettet und an eine würdevolle letzte Ruhestätte gebracht.

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Nur wenige Funde, die in der Ukraine gemacht wurden, stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Krieg. Zwei Opfer wurde allerdings entdeckt, als ukrainische Soldaten einen Schützengraben ausheben wollen. Viele weitere könnten folgen.

Die Karte zeigt die Lage des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine.
Die Karte zeigt die Lage des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine. © dpa | Unbekannt

Explosion am Kachowka-Staudamm: Sinkender Pegel legt Leichen frei

Der Grund: Nach der Explosion des Kachowka-Staudamms sinkt der Pegel im aufgestauten Bereich des Flusses Dnepr immer weiter. Dort, wo sich lange ein See erstreckte, werden nach und nach große Flächen freigelegt. Dabei sollen auch die sterblichen Überreste deutscher Soldaten aufgetaucht sein.

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Das zumindest behauptet ein User auf Twitter. Als vermeintlichen Beweis legt er ein Video vor, das begleitet von martialischer Musik menschliche Schädel zeigt, die in feuchter Erde liegen. Einer von ihnen trägt einen stark verrosteten Helm, bei dem es sich tatsächlich um ein Exemplar der Wehrmacht handeln könnte. Unabhängig überprüfen lassen sich die Aufnahmen derzeit nicht.

Immer mehr Wasser aus dem Kachowka-Stausee in der Ukraine fließt ab. Dadurch werden große Teile des einstigen Seegrunds sichtbar.
Immer mehr Wasser aus dem Kachowka-Stausee in der Ukraine fließt ab. Dadurch werden große Teile des einstigen Seegrunds sichtbar. © Anatolii Stepanov/AFP | Unbekannt

Menschliche Überreste im Kachowka-Stausee sollen geborgen werden

Dennoch beschäftigt sich der Volksbund bereits mit dem Thema: Auf Anfrage unserer Redaktion heißt es, dass man bereits mehrere Hinweise auf mögliche Kriegsopfer auf dem Gebiet des Kachowka-Stausees erhalten habe. Der Umbettungsdienst in der Ukraine sei informiert und werde "mit der Bergung beginnen, sobald es die Lage zulässt." Aktuell sei das jedoch noch nicht möglich.

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Bereits 2017 hatte der Umbettungsdienst des Volksbundes die sterblichen Überreste von 154 deutschen Soldaten im Raum Kachowka geborgen. In historischen Aufzeichnungen, die der Volksbund ausgewertet hat, sind mehr als 1.500 Tote in dieser Region gemeldet. "Wir prüfen die eigenen Akten nun, ob in dem Gebiet, in dem zwischen 1955 und 1958 der Kachowkaer Stausee entstand, Friedhöfe der Wehrmacht angelegt wurden, die bisher nicht erreichbar waren", erklärt Arne Schrader, Abteilungsleiter Kriegsgräberdienst.

 Fakten zum Kachowka-Staudamm
LageUkraine
ZuflüsseDnepr, Kinska, Basawluk
Baujahr1950–1955
Höhe37 m (Mauer), 22 m (Damm)

Es ist also durchaus denkbar, dass rund zehn Jahre vor dem Bau des Staudamms deutsche Soldaten an den damaligen Ufern des Dnepr getötet und begraben wurden: Während des Kriegs war die Wehrmacht bis weit in die Ukraine vorgedrungen, wurde dann aber von sowjetischen Truppen zurückgeschlagen.