Berlin. In vielen Regionen des Mittelmeers ist mittlerweile eine tödliche Fischart unterwegs. Eine Expertin erklärt, worauf Urlauber achten sollten.

Eigentlich sehen sie gar nicht so gefährlich aus, können für den Menschen aber schnell zum Problem werden: Kugelfische. Die Fischart stammt eigentlich aus dem asiatischen Meeresraum, ist seit einigen Jahren aber auch vermehrt im Mittelmeer, dessen Küsten zu den beliebtesten Urlaubszielen der Deutschen gehören, anzutreffen. Zuletzt hatten sich die Sichtungen gehäuft.

Kugelfische gelten zwar nicht als aggressiv, können aufgrund ihres Gifts für den Menschen bei Kontakt aber zur tödlichen Gefahr werden. Das Problem: Laien können die Fische nur erkennen, wenn die Tiere sich „aufplustern“. Im Gespräch mit dieser Redaktion erklärt Dr. Cornelia Nauen, Meeresökologin und Vorsitzende der Organisation Mundus Maris, die sich für nachhaltige Meeresforschung einsetzt, wie gefährlich die Kugelfische wirklich sind und weshalb sie sich immer weiter ausbreiten.

Vermehren sich die Kugelfische im Mittelmeer?

Dr. Cornelia Nauen: Die Fische breiten sich bereits seit einigen Jahren aus. Die ersten Sichtungen gab es sogar bereits vor ein paar Dekaden. 2018 haben Forscherinnen und Forscher der Uni Pisa das Verhalten und Vorkommen der Kugelfische systematisch zusammengeführt. Über verschiedene Quellen sind so über 200.000 Sichtungen zusammengekommen. Dabei handelt es sich aber um die gesamte Familie der sogenannten Puffer- oder Kugelfische.

Wie sind die Kugelfische überhaupt dorthin gelangt? Sie sind doch keine einheimische Art?

Nauen: Sie stammen eigentlich aus den Meeren Südostasiens und dem Indischen Ozean. Über das Rote Meer und den Suezkanal landen sie dann im Mittelmeer. So sind auch andere Arten wie der Rotfeuerfisch oder die Blaue Schwimmkrabbe ins Mittelmeer eingedrungen. Diese Einwanderungsform trägt den Namen Lessepssche Migration, benannt nach dem Erbauer des Suezkanals.

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Welche Urlaubsregionen sind am meisten betroffen?

Nauen: Am stärksten betroffen sind momentan noch die Länder im östlichen Mittelmeer inklusive Israel, Libanon, der Türkei, aber zunehmend auch Griechenland und Italien. Die Lessepssche Migration nahm ab etwa 2005 mit der Erweiterung des Suezkanals stark zu. Momentan gehen Forscher davon aus, dass mittlerweile mehr als 700 verschiedene Arten aus dem Roten Meer ins Mittelmeer eingewandert sind.

Welche Arten der Kugelfische breiten sich im Mittelmeer aus?

Nauen: Die Familie der Kugelfische heißt mit wissenschaftlichem Namen Tetraodontidae. Im Mittelmeer breiten sich vor allem drei Arten aus, häufig mittlerweile auch rund um Italien. Die erste Art ist der Lagocephalus sceleratus, die 95 Prozent der Sichtungen ausmacht. Sie kann mehr als einen Meter groß werden und pflanzt sich ab einer Länge von etwas über 40 cm fort.

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Nauen: Eine zweite Art, die seltener gesichtet wird, ist der Lagocephalus lagocephalus. Die dritte ist eine andere Gattung, der sogenannte Sphoeroides pachygaster. Experten gehen aber davon aus, dass es noch mehr Arten geben könnte.

Kugelfische: Gefahr für Badegäste?

Halten sich die Kugelfische auch in Strandnähe auf? Kann man ohne Bedenken baden gehen?

Nauen: Normalerweise sind Badende nicht besonders gefährdet. Die bevorzugte Tiefenverteilung der Kugelfische hängt unter anderem von der Temperatur und dem Substrat am Meeresboden ab, liegt aber in der Regel zwischen zehn und 100 Metern. Einige Arten halten sich gerne in Seegraswiesen und in der Nähe von Flussmündungen auf. Die Hauptleidtragenden sind momentan allerdings eher die Fischer: Kugelfische sind Räuber mit starken, oft „schnabelartig“ verstärkten Kiefern, die große Verluste in der Langleinenfischerei hervorrufen, wenn sie einen signifikanten Teil des Fangs fressen oder sogar Netze zerbeissen.

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Sind die Kugelfische giftig?

Nauen: Die meisten davon sind sehr toxisch. Gefährlich ist allerdings per se nicht das Fleisch, sondern die Haut der Tiere, wo das Gift sitzt. Und das ist nicht sehr bekömmlich. In der japanischen Küche allerdings werden die Kugelfische als Delikatesse gehandelt. Nur speziell ausgebildete Köche dürfen das Fleisch zubereiten, sodass das Gift nicht ans Fleisch gerät. Dennoch gibt es jedes Jahr ein paar Todesfälle.

Gefährliches Gift ohne Gegenmittel

Was macht die Kugelfische so gefährlich?

Nauen: Pufferfische können gefährlich sein, da sie das Nervengift Tetrodotoxin (TTX) abgeben können. Dabei handelt es sich um ein stabiles und potenziell tödliches Nervengift, das lähmend wirkt. Alle Pufferfische haben die Möglichkeit, dieses Gift anzureichern. Mit Handschuhen können die Tiere aber angefasst werden.

Der Hasenkopf-Kugelfisch, auch Lagocephalus sceleratus genannt, ist für den Menschen hochgiftig.
Der Hasenkopf-Kugelfisch, auch Lagocephalus sceleratus genannt, ist für den Menschen hochgiftig. © Shutterstock / Sakis Lazarides | Sakis Lazarides

Was passiert genau, wenn man einen Kugelfisch berührt?

Nauen: Eine kurze Berührung sollte keine dramatischen Wirkungen haben, besonders wenn der Fisch nicht aufgeblasen ist und die Stacheln hervortreten. Das Verzehren von Fischteilen, die das TTX enthalten, ist deutlich problematischer, weil es kein Gegengift gibt. Normalerweise beginnen die Symptome nach etwa 30 Minuten (Kribbeln auf der Zunge, Kopfschmerzen, Erbrechen, Muskelversagen, Anm. d. Red.). Wer einen Tag überlebt, hat vermutlich das Schlimmste überstanden, auch wenn Symptome noch einige Tage anhalten können.

Wie sollte man sich verhalten, wenn man einen Kugelfisch im Wasser oder am Strand findet?

Nauen: Am besten sollte man die Finger von den Fischen lassen. Das Gift sitzt auf der Haut, wodurch wir uns infizieren können. Viele Arten haben außerdem Stacheln, an denen wir uns piksen können, nicht aber Lagocephalus sceleratus. Bei Gefahr plustern sich die Pufferfische auf, wodurch die Stacheln nach außen stehen. Dann ist die Gefahr, gestochen zu werden, besonders groß.

Kompletter Mittelmeerraum betroffen

Werden sich die Kugelfische weiter vermehren?

Nauen: Normalerweise breiten sich neue Arten wie die Kugelfische im Mittelmeer gegen den Uhrzeigersinn aus. Zuerst gelangen sie ins östliche Mittelmeer, wo das Wasser wärmer ist als im Westen. Das macht es den tropischen Arten leichter, Fuß zu fassen. Sobald sie eine stabile Populationsgröße erreicht haben, breiten sie sich dann immer weiter aus. Aufgrund der anderen Fauna haben sie in der Regel auch keine natürlichen Fressfeinde. Mittlerweile steigen die Temperaturen im westlichen Mittelmeer wegen des Klimawandels ebenfalls an. Das erleichtert die Ausbreitung tropischer Arten.

Die Population könnte sich explosionsartig entwickeln und Schaden anrichten. Die Pufferfische sind auf dem besten Weg, eine invasive Art zu werden und somit auch ein Gesundheitsrisiko darzustellen. Zeitgleich werden auch lokale Tierarten verdrängt.

Gibt es Bestrebungen, gegen die Ausbreitung der Kugelfische vorzugehen? 

Nauen: Was das Mittelmeer und die Einwanderung dorthin angeht, ist das Problem schon oft signalisiert worden, aber es sind mir keinerlei Bemühungen rund um den Suezkanal bekannt, dort entsprechende Barrieren einzuführen. Die Handelsschifffahrt hat Vorfahrt. Wenn die Pufferfische gezielt befischt würden, hätte das sicher eine Wirkung.