Gibraltar. Expertengruppe hat Erklärung für die Vorfälle im Mittelmeer: Es ist letztlich wie bei Menschen – die Täter sind gelangweilte Teenager.

Killerwale im Mittelmeer haben in den vergangenen Jahren immer wieder für Schlagzeilen gesorgt, weil sie Boote attackiert haben. In mehreren Fällen versenkten die großen Meeressäuger sogar größere Jachten. Das Verhalten hat für große Verunsicherung gesorgt, auch bei Forschern. Denn zuvor gab es kaum Berichte über frei lebende Orcas, die Menschen angreifen.

Die große Frage war also: Was treibt die schwarzweißen Riesen an. Eine von der spanischen und der portugiesischen Regierung beauftragte Expertengruppe hat nun die ihrer Meinung nach plausibelste Antwort vorgelegt: Demnach gehen die Vorfälle auf eine Gruppe gelangweilter Orca-Teenager zurück, die die Schiffe aus Zeitverteib demolieren.

Die Ruder gelten einfach als Spielzeug

Die Gruppe, der Biologen, Regierungsbeamte und Vertreter der Fischereibranche, veröffentlichte einen Bericht, in dem sie ihre Hypothese darlegt: Demnach wollen die Orcas einfach nur Spaß haben, und in den weiten – und ziemlich leeren – offenen Gewässern seien die Boote, genauer gesagt deren Ruder, ein erstklassiges Spielzeug.

Tatsächlich ähneln sich die Beschreibungen solcher Vorfälle: Aus einer Gruppe von rund 15 zumeist Jungtieren nähere sich eines, meist bedächtig und schubse das Ruder an. Da aber selbst junge Orcas außerordentlich kraftvolle Tiere seien, reiche auch ein kleiner Schubs, um große Schäden zu bewirken, schreibt Alex Zerbini, der den wissenschaftlichen Ausschuss der internationalen Walfangkommission leitet.

Nichts deute auf Aggressivität hin, so Zerbini, es sei keine zerstörerische Absicht in den Aufnahmen solcher Vorfälle zu erkennen. Denn Killerwale können durchaus Aggression und Brutalität zeigen, zum Beispiel bei der Jagd, oder wenn sie Beute als Spielzeug benutzen und Robben oder Delfine umherwerfen.

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Die Täter: Eine Gruppe männlicher Teenager

Auslöser des Verhaltens könnte ein einziger Orca gewesen sein, der sich vielleicht von den Luftblasen, die die Ruder werfen, angezogen fühlte. „Vielleicht berührte dieses Individuum ein Ruder und fand, dass es etwas ist, mit dem man spielen kann“, sagte Zerbini der Washington Post.

„Und nachdem es damit gespielt hatte, begann es, dieses Verhalten in der Gruppe zu verbreiten, bis es so weit verbreitet war, wie es jetzt ist.“

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Dazu muss man wissen: Orcas seien zutiefst soziale Wesen, betont Naomi Rose, leitende Wissenschaftlerin am Animal Welfare Institute, die der Arbeitsgruppe angehörte. Jede Population, jede Familie habe eine eigene Kultur, Sprache und Nahrungsgrundlage. Sie pflegen eine komplexe Kommunikation, es gibt Bildungsprogramme in den Familien. Orcas und Menschen werden auch in einem ähnlichen Tempo erwachsen.

Was das fatale Spiel mit den Bootsrudern angeht, waren die Täter meist männliche Jugendliche und Teenager, so Rose. Auch das kennt man von Menschen. Es seien auch erwachsene Wale in der Nähe solcher Aktionen gesichtet worden, aber diese seien wohl nur zu „Aufsicht“ dagewesen

Es gibt auch Orcas, die Lachse als Hut tragen

Demnach wäre das Ramponieren der Ruder eine Art Mode unter den jungen Orcas einer bestimmten Population. Solche Marotten und Modeerscheinungen seien bei Orcas nicht selten, so Naomi Rose. In der Vergangenheit haben einige Populationen tote Lachse als Hüte getragen oder Mutproben entwickelt beziehungsweise andere Spiele, um sich gegenseitig zu beweisen. Mitunter suchten die Tiere gezielt den Nervenkitzel.

Spiel hin, Spiel her – für die betroffenen Menschen ist der Trendsport der Teenager-Orcas ein Risiko. Und die Wissenschaftler haben Sorge, dass es zu Konflikten kommen wird, weil sich Bootsbesitzerinnen oder -besitzer bedroht fühlen. Die Forschenden haben sich also auch Gedanken über Methoden gemacht, wie man den Pöbel-Orcas den Spaß verdirbt.

So könnten etwa die Boote beschwerte Leinen außenbords anbringen, man könnte Geräte installieren, die unterirdisch Warntöne abgeben. Das Ziel ist, den Orcas die mutwillige Randale rasch wieder abzugewöhnen, bevor ein größeres Unglück geschieht. (ftg)