Berlin. Durch die Privatisierung der Strände gelten in Italien neue Regeln und die sorgen für Aufregung. Aktivisten beginnen jetzt mit der Revolte.

An den kilometerlangen Stränden an der Adria reihen sich Tausende Liegen und Sonnenschirme aneinander, farblich unterteilt in verschiedene Strandabschnitte. Diese Bereiche haben sich tausende Badeanstalten-Betreiber vom italienischen Staat gepachtet. Knapp 30.000 solcher „Stabilimenti balneari“ gibt es in Italien. Sie gehören zur Badetradition des Landes.

Mit dem Vermieten der Schirme und Liegen verdienen die Betreiber ein Vermögen. Immerhin muss jede Gemeinde zwischen den Badeanstalten sogenannte „Spiagge libere“ garantieren, also frei zugängliche Strandabschnitte. In einigen Kommunen sind diese Abschnitte jedoch klein, an ungünstigen Stellen gelegen und stets von Badegästen überlaufen.

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Kein Wunder, dass sich im Land inzwischen Protestkundgebungen von Bürgern und Bürgerinnen mehren, die freien Zugang zum Meer fordern. Gegen die zunehmende Tendenz, alle Küstenabschnitte Badeanstalten anzuvertrauen, in denen man Liegen und Sonnenschirme teuer mieten muss, revoltieren Aktivisten im ganzen Land.

Im Nobelviertel Posillipo in Neapel gingen die Demonstranten am vergangenen Wochenende mit Plakaten und Transparenten auf den Strand. Sie kritisieren den Beschluss der Gemeinde, ein Online-Buchungssystem für den Zugang zu den Stränden einzuführen. Wer seinen Platz nicht reserviert, hat keinen Zugang zum Strand. Die verfügbaren Plätze sind meist in wenigen Stunden vergeben.

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 „Wir protestieren gegen den inakzeptablen Beschluss der Stadtverwaltung, eine beschränkte Zahl von Badenden auf den ohnehin wenigen freien Stränden der Stadt zuzulassen. Wir wollen den Neapolitanern das Meer ohne Einschränkungen zurückgeben“, erklärt der Aktivist Giuliano Esposito der Bewegung „Mare libero“ („Freies Meer“).

Die verschiedenen Farben der Sonnenschirme markieren die Strandabschnitte.
Die verschiedenen Farben der Sonnenschirme markieren die Strandabschnitte. © picture alliance/dpa | Annette Riedl

Um Zugang zu den öffentlichen Stränden von Posillipo zu erhalten, muss man am Vortag eine Reservierung für den folgenden Tag vornehmen. Einlass ist bis 13.00 Uhr. Wenn man nicht erscheint, verfällt die Reservierung automatisch. Es ist möglich, maximal drei Reservierungen pro Woche für dieselbe Person vorzunehmen. Minderjährige dürfen nicht ohne Begleitung an den Strand. Heißt: Wer täglich ans Meer will, muss einen der teuren privaten Strandabschnitte nehmen. Das gilt auch für Touristen.

Eingeschränkter Strandzugang: Aktivisten besetzen Strände

Der Kampf um freie Strände in Neapel dehnt sich inzwischen auf andere Regionen Italiens aus. Vor einigen Tagen betraten Aktivisten die Luxus-Badeanstalt „Twiga“ im toskanischen Marina di Pietrasanta, die vom Ex-Formel 1-Manager und Großunternehmer Flavio Briatore betrieben wird.

Die Aktivisten von „Mare libero“ stellten ihre Sonnenschirme auf und legten Handtücher inmitten der noblen Zelte und Kabinen der Badeanstalt aus, die von Promis aus ganz Italien besucht wird. Dabei kam es zu Spannungen mit den Betreibern des exklusiven Beach-Clubs.

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Das Credo der Aktivisten: „Das Meer muss frei sein, jeder muss mit seiner Familie an den Strand gehen können, unabhängig von seinen finanziellen Bedingungen. Heute ist der Strandbesuch zu einem Privileg geworden. Es gibt Konzessionen, für die Badeanstalten-Betreiber den Gemeinden sehr wenig zahlen, ihnen aber riesige Umsätze bringen. Kurz gesagt, das Recht der Bürger, ans Meer gehen zu können, wird in mehreren Teilen Italiens total missachtet. Wir wollen dieses Recht wiederherstellen und die Strände für die Italiener befreien.“

Großteil der Strände in Italien ist privatisiert

Aktuelle Daten zeigen, dass ein kostenloser Zugang zum Meer vielerorts immer schwerer wird. Die Strände an Italiens Küsten sind teilweise geradezu kilometerlang verbarrikadiert. Ein Beispiel: In der bei deutschen und österreichischen Touristen beliebten Urlaubsstadt Lignano Sabbiadoro an der nördlichen Adria sind 83 Prozent der Strände privatisiert, in der Toskana sind es fast 100 Prozent.

Hinzu kommt: Die Preise für die Privat-Strände sind 2024 deutlich gestiegen. Gerade für Familien sind diese Preise oft ein Problem, wie der Konsumentenschutzverband Codacons beklagt. Um einen Sonnenschirm und zwei Liegen am Wochenende in einer Badeanstalt zu bekommen, gibt man durchschnittlich zwischen 32 und 35 Euro pro Tag aus, wobei es je nach Region große Unterschiede gibt: In Sabaudia bei Rom werden dafür bis zu 45 Euro verlangt, an einigen Orten Sardiniens bis zu 120 Euro.

Einfach an den Strand gehen? In Italien nicht immer ganz so einfach.
Einfach an den Strand gehen? In Italien nicht immer ganz so einfach. © picture alliance / Bildagentur-online/Widmann | Bildagentur-online/Widmann

Wenn man sich zu den „Luxus“-Stränden begibt, übersteigen die Kosten sogar 500 Euro pro Tag und können bis zu 700 Euro erreichen. Dies ist zum Beispiel im „Cinque Vele Beach Club“ in Marina di Pescoluse in Apulien der Fall, wo ein Pavillon mit zwei Sitzplätzen in der ersten Reihe im „Exklusiv“-Bereich im August bis zu 696 Euro pro Tag kosten kann.