Berlin. Nach dem Tod des iranischen Präsidenten Raisi wird ein Mann immer wichtiger. Mojtaba Chamenei könnte das Amt seines Vaters übernehmen.

Ajatollah Ali Chomenei hat im Iran eine fünftägige Staatstrauer angeordnet. Präsident Ebrahim Raisi und Außenminister Hussein Amirabdollahian waren am Sonntag bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen. Ihr Tod hat das Mullah-Regime erschüttert. Raisi war nicht nur Präsident und treuer Anhänger, sondern auch Vertrauter und potenzieller Nachfolger des 85-Jährigen, der als Oberster Führer der Islamischen Republik der mächtigste Mann des Iran, aber offenbar nicht mehr bei bester Gesundheit ist. Mit Raisis plötzlichem Tod ist das Rennen um die Nachfolge des Ajatollah völlig offen.

Mehr zum Thema lesen Sie im Liveblog: Trauerfeierlichkeiten im Iran – Tausende folgen Raisis Sarg

Seit über einem Jahrzehnt ist die Frage der Nachfolge Chameneis ein zentraler Punkt in der iranischen Politik. Während die Opposition dieses mögliche Machtvakuum als Chance für einen Umsturz betrachtet, sind die Anhänger des Regimes besorgt: Ist überhaupt jemand in der Lage, Chameneis Charisma und Akzeptanz unter den Unterstützern der Islamischen Republik zu erlangen?

Iran: Der Sohn war die graue Eminez im Büro des Revolutionsführers

In diesem Kontext rückt Mojtaba Chamenei, der 55-jährige zweite Sohn von Ali Chamenei, in den Fokus. Trotz seiner formalen Position als Gelehrter der religiösen Wissenschaften ohne offizielles Regierungsamt hat Mojtaba in den vergangenen Jahren in den Staatsmedien zunehmend Aufmerksamkeit erhalten. Er wird auffällig oft als Ajatollah bezeichnet. Seine Anwesenheit bei offiziellen Treffen seines Vaters mit Regierungsvertretern und seine Nähe zu ihm sind nicht zu übersehen. Viele Jahre war er die graue Eminenz im Büro des Revolutionsführers.

Auch interessant: Iran-Experte – „Teheran gibt Israel für alles die Schuld“

Mojtaba Chamenei hat seine Macht im Hintergrund systematisch aufgebaut. Sein Name kam erstmals während der Präsidentschaftswahl 2005 öffentlich ins Gespräch. Damals beschuldigte ihn der reformorientierte Kandidat Mehdi Karroubi, die Wahl zugunsten Mahmoud Ahmadineschads manipuliert zu haben.

Tod von Präsident und Außenminister: Trauer und Ermittlungen im Iran

weitere Videos

    Auch bei den kontroversen Wahlen 2009, die zu massiven Betrugsvorwürfen und landesweiten Protesten führten, tauchte sein Name immer wieder auf. Die Opposition bezeichnete diese Wahlmanipulationen als „Wahlputsch“ und Mojtaba als Hauptakteur dahinter. In den darauffolgenden Protesten skandierten Demonstranten nicht nur gegen seinen Vater, den „Diktator“, sondern auch gegen Mojtaba mit Slogans wie „Mojtaba, stirb, damit du nie die Führung siehst“.

    Lesen Sie auch: Der Iran erlebt keine Krise, sondern eine Krisen-Kaskade

    Nach der brutalen Niederschlagung dieser Proteste verschwand Mojtaba weitgehend aus den Schlagzeilen, bis 2019 der ehemalige Leiter des staatlichen Rundfunks, Mohammad Sarafraz, und die ins Exil gegangene ehemalige TV-Moderatorin Shahrzad Mirgholikhan auf seinen erheblichen Einfluss hinwiesen. Insbesondere seine Rolle im Rundfunk und seine Verbindungen zu den Revolutionsgarden machten sie öffentlich.

    Die USA setzen Mojtaba Chamenei auf die Sanktionsliste

    Im selben Jahr setzte das Finanzministerium der USA Mojtaba auf die Sanktionsliste. Begründung: Ali Chamenei habe einen Teil seiner Verantwortlichkeiten an ihn delegiert. Zudem pflege Mojtaba enge Verbindungen zu den Revolutionsgarden. Viele Iraner glauben, dass er längst eine viel größere Rolle spielt, als öffentlich wahrgenommen wird. Mojtaba gehört zu den absoluten Hardlinern des iranischen Regimes. Er stützt seine Macht auf die Geheimdienste, die Revolutionswächter und den Propagandaapparat des Landes.

    Persönlich ist nicht viel über ihn bekannt. Er wurde 1969 in Maschhad geboren, hat einen älteren und einen jüngeren Bruder, die sich religiösen Studien widmen. Er hat nie ein öffentliches Amt angestrebt, agiert lieber im Verborgenen.

    Rettungsteams fanden den abgestürzten Hubschrauber, in dem unter anderem Präsident Ebrahim Raisi saß, im dichten Nebel. Alle Insassen waren tot.
    Rettungsteams fanden den abgestürzten Hubschrauber, in dem unter anderem Präsident Ebrahim Raisi saß, im dichten Nebel. Alle Insassen waren tot. © AFP | Azin Haghighi

    Die Entscheidung über den nächsten Führer liegt in den Händen des sogenannten Expertenrates, dessen Wahlen zuletzt im März 2024 stattfanden. Kurz vor diesen Wahlen enthüllte ein Mitglied des Rates, dass in einem „Dreier-Komitee“ einer der Söhne Chameneis als potenzieller Nachfolger diskutiert werde. 2022 warnte der seit 2012 unter Hausarrest stehende Oppositionspolitiker Mir Hossein Mousavi vor einer möglichen dynastischen Nachfolge. Vater und Sohn kommentieren das nie.

    Eine „Erbfolge“ vom Vater auf den Sohn birgt Risiken

    Aber iranischen Regierungskreisen wurde immer wieder bestritten, dass der Ajatollah vorhabe, seinen Sohn zu seinem Nachfolger zu machen. Doch mit dem Tod von Raisi könnte sich das geändert haben. Eine Machtübergabe vom Vater auf den Sohn ist aber nicht ohne Risiko. Denn mit dem Schah-Regime war 1979 eine Monarchie gestürzt worden. Der Iran versteht sich als theokratische Demokratie.

    Doch in den vergangenen Jahrzehnten hat Ali Chamenei systematisch führende Persönlichkeiten der ersten Generation der Islamischen Republik ausgeschaltet oder mundtot gemacht. Auch mögliche Nachfolger aus jüngeren Generationen wurden aus dem politischen Geschehen entfernt. Deshalb steht Mojtaba nun in einer leeren politischen Arena und erscheint so als logischer Kandidat. Er würde die Ära seines Vaters nahtlos fortführen und stünde für Kontinuität des Regimes.

    Auch interessant: Viele Iraner feiern den Tod des „Schlächters von Teheran“

    Einfach würde ein solcher Übergang nicht. Die Akzeptanz Mojtabas durch die Anhänger des Regimes ist eine große Herausforderung. Seit Jahrzehnten werden die Spannungen innerhalb des Regimes unterdrückt. Sie könnten mit dem Tod des Ajatollahs zu einem politischen Erdbeben führen, meinen Experten.

    Hintergrund: Uralt-Flotte im Iran: Viele Flieger stammen noch vom Schah