Sydney. Der „Weltuntergangsgletscher“ schmilzt im Rekordtempo. Forscher haben neue Erkenntnisse, die für die Menschheit nichts Gutes verheißen.

Der „Doomsday“-Gletscher macht seinem Namen alle Ehre: Er verbreitet Weltuntergangsstimmung. Forscherinnen und Forscher haben nun in einer neuen Studie Alarm geschlagen: Meerwasser drückt kilometerweit unter den Thwaites-Gletscher in der Antarktis und beschleunigt sein Abschmelzen offenbar deutlich. Die Ergebnisse der Wissenschaftler beruhen auf Radardaten aus dem Weltraum.

Gletscher wird von allen Seiten attackiert

Da das salzige, relativ warme Ozeanwasser auf das Eis trifft, verursacht es ein „kräftiges Schmelzen“ unter dem Gletscher und das dürfte bedeuten, dass die Prognosen für den Anstieg des globalen Meeresspiegels unterschätzt werden, heißt es in der am Montag in den Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlichten Studie.

Das Team von Gletscher-ExpertInnen unter der Ägide der University of California, hat es geschafft, mit den hochauflösenden Satellitenradardaten sozusagen unter den Gletscher zu schauen, um festzustellen, wie weit sich der Eispanzer bereits von seinen Haltepunkten gelöst hat und mit den Gezeiten aufschwimmt.

Diese Grundlinie ist für die Stabilität von Eisschilden von entscheidender Bedeutung und ein zentraler Punkt der Anfälligkeit des Thwaites-Gletschers, war aber bisher nur schwer zu untersuchen. Der neue Befund passt allerdings zu kurz zuvor veröffentlichten Daten, die zeigen, dass das Abschmelzen rascher voranschreitet als vermutet und das wiederum Folgen für die gesamte Welt hätte. Etliche Küstenstädte könnten überflutet, ganze Länder unbewohnbar werden.

Das Abschmelzen des „Weltuntergangsgletschers“ hätte katastrophale Folgen für die ganze Erde.
Das Abschmelzen des „Weltuntergangsgletschers“ hätte katastrophale Folgen für die ganze Erde. © Anadolu Agency/Getty Images | Getty Images

Forscherinnen und Forscher haben die Gletscher-Oberfäche untersucht und nachgewiesen: Dessen Eis wird immer brüchiger und stetig weniger. Der mächtige Gletscher wird quasi von allen Seiten attackiert. Die Folge: Das Schmelzwasser lässt den Meeresspiegel global ansteigen. Schon heute trägt der Gletscher rund vier Prozent pro Jahr zum globalen Meeresspiegelanstieg bei.

Diese katastrophalen Folgen hätte ein Kollaps des Gletschers

Würde der Gletscher, der mit 192.000 Quadratkilometern fast so groß wie Großbritannien ist, komplett kollabieren, würde der Meeresspiegel global um etwa 65 Zentimeter ansteigen. Ein solcher Kollaps könnte in der Folge den gesamten westantarktischen Eisschild destabilisieren. Schmilzt dieser ebenfalls, so steigt der Meeresspiegel gar um zwei bis drei Meter an.

Hamburg, San Francisco, New York, Miami, London oder Jakarta würden überflutet werden. Für einige Pazifikstaaten wie Kiribati oder tiefliegende Länder wie die Niederlande oder Bangladesch wären die Folgen so katastrophal, dass einige Medien den Thwaites „Doomsday Glacier“ oder übersetzt „Weltuntergangsgletscher“ getauft haben.

Wissenschaftler waren sich bisher schon darüber im Klaren, dass der Gletscher mindestens seit den 1970er-Jahren Eis verliert, und dies immer schneller. Da die Satellitendaten jedoch nur wenige Jahrzehnte zurückreichen, wussten sie nicht genau, wann und wieso das signifikante Schmelzen einsetzte.

Studienergebnis: Schmelze begann noch viel früher als vermutet

Laut einer vor Kurzem in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlichten Studie gibt es nun jedoch Antworten, und diese sind beunruhigend. Durch die Analyse mariner Sedimentkerne stellten die Forscher fest, dass der Gletscher möglicherweise schon in den 1940er-Jahren begann, sich zurückzuentwickeln. Ausgelöst wurde dies höchstwahrscheinlich durch ein sehr starkes El-Niño-Ereignis – ein natürliches Klimaphänomen, das tendenziell eine erwärmende Wirkung hat.

Bezeichnend sei jedoch, dass dieser El Niño nur ein paar Jahre andauerte, der Thwaites wie auch der Pine Island-Gletscher jedoch weiterhin stark zurückgegangen seien, wie Julia Wellner, außerordentliche Professorin für Geologie an der University of Houston und leitende Forscherin des Thwaites Offshore Research-Projekts in den USA, sagte: „Sobald das System aus dem Gleichgewicht gerät, geht der Rückzug weiter“, sagt sie.

Einmal in Gang gesetzte Veränderungen am Eisschild könnten sich dann über Jahrzehnte fortsetzen, selbst wenn das, was sie ursprünglich ausgelöst hat, sich nicht verschlechtert habe, bestätigte auch James Smith, Meeresgeologe beim British Antarctic Survey und Co-Autor der Studie.

Experte alarmiert: Gletscher hält sich nur noch mit „Fingernägeln“ fest

Schon eine Studie aus dem Jahr 2022, veröffentlicht im Fachmagazin „Nature Geoscience“, zeigte, wie schnell die Schmelze in den vergangenen Jahren vorangeschritten ist. „Der Thwaites hält sich inzwischen wirklich nur noch mit seinen Fingernägeln fest“, sagte Robert Larter, ein Meeresgeophysiker der British Antarctic Survey und Mitautor der damaligen Studie.

Sobald der Gletscher einen bestimmten Punkt überschreite und sich über einen flachen Grat in seinem Bett zurückziehe, habe er das Potenzial, noch schneller als bisher schon zu schrumpfen. „Wir sollten in Zukunft mit großen Veränderungen in kleinen Zeiträumen rechnen – sogar von einem Jahr zum nächsten“, warnte der Forscher schon damals.

Diese anderen Gefahren bedrohen gleichzeitig die Antarktis

Gleichzeitig zu den beunruhigenden Nachrichten rund um den Thwaites Gletscher wurde noch eine weitere Hiobsbotschaft bekannt: So hat auch das Meereis zum dritten Mal in Folge einen alarmierenden Tiefpunkt erreicht und ist im diesjährigen Sommer (Dezember bis Februar) auf der Südhalbkugel erneut auf unter zwei Millionen Quadratkilometer geschrumpft.

Die Pinguine in der Antarktis sind in Gefahr, denn erstmals hat die sich weltweit verbreitende Vogelgrippe das Festland erreicht.
Die Pinguine in der Antarktis sind in Gefahr, denn erstmals hat die sich weltweit verbreitende Vogelgrippe das Festland erreicht. © DPA Images | Benedikt von Imhoff

Hiobsbotschaft Nummer drei war in den vergangenen Tagen, dass die weltweit grassierende Vogelgrippe inzwischen auch die Antarktis erreicht hat. Forscher machen sich nun große Sorgen, dass sich die Pinguine auf dem Kontinent aus Eis anstecken und dann in Heerscharen sterben könnten.