Wolfsburg. Wir trafen Basketball Löwen-Manager Nils Mittmann und Grizzlys Wolfsburg-Manager Karl-Heinz Fliegauf zum sportlichen Gipfeltreffen.

Wir trafen die Grizzlys- und Basketball-Löwen-Manager Charly Fliegauf und Nils Mittmann zum sportlichen Gipfeltreffen jenseits des Fußballs und einem Gespräch über die Autorität als frühere Spieler, skandalöse Medienentscheidungen und das mögliche Hollywood-Ende einer großen regionalen Sportgeschichte …

Herr Mittmann, wie ist es bei ihnen um die Kompetenz auf dem Eis bestellt? Könnten sie zumindest fahren oder vielleicht auch mehr?

Mittmann: Fahren kann ich hoffentlich noch (lacht). Das letzte Mal Eishockeyspielen ist tatsächlich schon Jahrzehnte her, als die Winter gefühlt noch kälter waren und die Seen im Umland gefroren. Wir haben immer den Schnee weggeschoben und dann gespielt. Mit der Fokussierung auf den Basketball wurde es wegen des Verletzungsrisikos dann aber immer weniger. Das letzte Mal Schlittschuhlaufen war ich aber auch hier in Wolfsburg, mit meinen Kids in der Autostadt beim Eiszauber.

Herr Fliegauf, wann haben Sie das letzte Mal auf einen Korb geworfen?

Fliegauf: Ehrlich gesagt: Schon lange nicht mehr. Früher zum Ausgleich im Sommer, in der Vorbereitung hat man auch mal Basketball in der Halle gespielt.

Schauen Sie sich die jeweils andere Sportart regelmäßig an oder treffen Sie sich sogar manchmal in der Eis Arena beziehungsweise der Volkswagen Halle?

Fliegauf: Letztes Jahr waren wir mit unserer Sponsorengruppe in Braunschweig und haben die Jungs unterstützt. Es war ein tolles Spiel, eine super Atmosphäre. Ich glaube, es ist wichtig, dass unsere Clubs da ein bisschen Flagge zeigen und sich untereinander Support geben.
Mittmann: Unser Besuch in Wolfsburg steht noch aus. Aber genau wie Charly finde ich es wichtig, dass wir uns untereinander austauschen, weil man viel voneinander lernen kann. Das tun wir auf mehreren Ebenen. Auch mit den großen Fußballvereinen tauschen wir uns aus, da sehen wir uns als eine Sport-Region.

In einem vergangenen Standort38-Titelinterview ,welches wir mit den Managern von Eintracht Braunschweig und dem VfL Wolfsburg geführt hatten, war die Hierarchie relativ klar. Eintracht war in der zweiten, der VFL in der ersten Liga. Wie würden Sie das bei Ihnen einschätzen: Gibt es da den größeren und den kleineren Club oder kann man Ihre Teams überhaupt nicht vergleichen, weil es unterschiedliche Sportarten sind?

Fliegauf: Eishockey, Basketball, Handball– das sind die Sportarten, die gleich hinter dem Fußball kommen. Das hängt immer ein bisschen auch von den Erfolgen der jeweiligen Nationalmannschaften ab und ist ein Indikator für Aufmerksamkeit und Wahrnehmung. Ich glaube, was die Zuschauerzahlen betrifft, sind wir nach dem Fußball im Eishockey momentan die erfolgreichste.

Wie viele Zuschauer kommen im Schnitt zu den Grizzlys?

Fliegauf: Wir haben in Wolfsburg eine kleine Halle und Platz für gut 4.000 Zuschauer. Dieses Jahr hatten wir einen Rekorddurchschnitt mit über 3.200 Zuschauern. Ich glaube, dass generell die Sportbegeisterung wieder zunimmt.
Mittmann: Das merken wir auch. Wir werden dieses Jahr den Rekorddurchschnitt einstellen mit knapp 4.500 Zuschauern. Das ist eine Steigerung von ca. 40 Prozent. Und das sind ja „nur“ die Fans. In Braunschweig, und ich denke, das wird in Wolfsburg nicht anders sein, verzeichnen wir einen großen Zuwachs an aktiven Sportlern im Breitensport.

Nils Mittmann: „Aus einer klaren Identitätein sportliches Konzept entwickeln
Nils Mittmann: „Aus einer klaren Identitätein sportliches Konzept entwickeln". © Holger Isermann | Holger Isermann
Charly Fliegauf: „Wir haben uns ein gewisses Standing in der Gesellschaft erarbeitet.“
Charly Fliegauf: „Wir haben uns ein gewisses Standing in der Gesellschaft erarbeitet.“ © Holger Isermann | Holger Isermann

Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Mittmann: Offenbar gibt es einen stärkeren Fokus auf Gesundheit, Bewegung und auf alle Themen, die mit Sport einhergehen – und die gesellschaftlich wieder relevanter werden. Ich glaube, wir brauchen gerade Teamsport für die Vermittlung gesellschaftlicher Werte.
Fliegauf: Eine gute Nationalmannschaft pusht jede Sportart. Das merken wir gerade sehr. In unsere „Laufschule“ an den Wochenenden kommen mittlerweile fast 100 Kinder, um ein bisschen ins Eishockey reinzuschnuppern. Und unsere soziale Verpflichtung ist auch, die Kids aktiv in den Sport reinzuholen. Angesichts der Zeit, die junge Menschen im Elternhaus vor dem Handy oder dem Bildschirm verbringen, ist es wichtig, dass die ganz jungen Kinder auch wieder körperlich aktiv werden.
Mittmann: Die Abhängigkeit vom Erfolg der Nationalmannschaft zeigt ja eigentlich, dass es uns noch nicht gelungen ist, diese Erfolge dann auch wirklich in eine nachhaltige Entwicklung des Sportes zu überführen. Ich glaube, das ist die größte Herausforderung.

Dabei trifft der Basketball, wie in den 90ern, wieder stärker den Zeitgeist …

Mittmann: Das spüren wir, und da sind wir wieder beim Thema soziale Verantwortung. Ich glaube, es ist die stärkste Eigenschaft, die wir haben, dass wir über den Sport, über die Profis, über die Vorbilder den Zugang zu jungen Menschen bekommen. Dafür ist es wichtig, dass wir mit den Grizzlys und Löwen, mit den Recken in Hannover und natürlich auch mit dem VfL und Eintracht sportliche Leuchttürme in der Region haben.

Herr Fliegauf, welche soziale Dimension hat es, dass man zum Eishockeyspielen nicht nur eine Eisfläche, sondern auch kostspieliges Equipment braucht?

Fliegauf: Gewiss kostet die Ausrüstung Geld und es ist es leichter, Schuhe und Sporthose anzuziehen und mit einem Ball auf den Platz zu gehen. Auch die Eisfläche ist ein Kostenfaktor. Deshalb ist die Nachhaltigkeit für uns so wichtig: Dass die Kinder, die einmal da sind, auch dabeibleiben und den Weg weitergehen.

Steht der Club Kindern aus Familien mit geringerem Einkommen dabei finanziell zur Seite?

Fliegauf: Natürlich können wir gelegentlich die Ausrüstungen stellen, aber ab einem bestimmten Zeitpunkt müssen die Eltern dafür sorgen. Und in der Regel bist du schonmal 1000 Euro los, wenn du etwas Vernünftiges kaufst.

Wenn Sie beide auf sich als Manager schauen: Wie wichtig ist es für Ihre Kompetenz und Autorität, dass Sie früher selbst Ihren Sport aktiv betrieben haben?

Fliegauf: Das hilft logischerweise, man hat sich ja auch was erarbeitet. Ich habe selbst gespielt, bis ich 34 war; seit 30 Jahren bin ich jetzt Manager, da kommt eine Menge Erfahrung zusammen. Netzwerken, eine Mannschaft und die Teamstruktur behutsam aufbauen, die richtigen Charaktere zu finden – es macht es einfacher, wenn man den Job als Spieler schonmal gemacht hat und diese Perspektive kennt.
Mittmann: Entscheidend ist auch die Empathie, die man für die Spieler hat. Ich glaube, es ist sehr schwer, sich in das Team wirklich hineinzuversetzen, wenn man nicht selbst einmal in der Rolle war. Es ist nicht unmöglich, aber gerade, wenn es darum geht, Gruppendynamiken zu erkennen, die Beziehung zwischen Spielern und Trainern zu moderieren, ist eine Organisation gut beraten, diese Spielerperspektive im Management zu haben. Denn am Ende, machen wir uns nichts vor, müssen die Spieler auf dem Court die Performance abliefern, die für den ganzen Verein entscheidend ist.

Die wichtigsten Profi-Stationen von Charly Fliegauf alsSpieler waren Augsburg und Berlin.
Die wichtigsten Profi-Stationen von Charly Fliegauf alsSpieler waren Augsburg und Berlin. © Charly Fliegauf | Charly Fliegauf

Sie sehen sich als klassischen Kümmerer?

Mittmann: Mein Job setzt eine gewisse Strapazierfähigkeit voraus. Meine Arbeitszeiten kennen zum Beispiel keine Feiertage. Oft sind die Spiele am Wochenende und ich gehe auch ans Telefon, wenn Sonntagnacht ein Spieler anruft. Es ist mir wichtig, Beweggründe für Entscheidungen zu verstehen oder Gedanken, die Spieler mit sich herumtragen.

Herr Fliegauf, Sie haben einmal gesagt, dass es Ihnen gerade anfangs schwerfiel, Personalentscheidungen zu treffen. Hängt das mit dieser Spielerperspektive zusammen?

Fliegauf: Man spricht mit Menschen, und die haben Gefühle. Natürlich gibt es schwierige Entscheidungen, gerade wenn man den Spieler sehr mag, letztendlich aber weiß, dass wir in der Zukunft andere Typen oder Fähigkeiten brauchen. Das sind schon Momente, die nicht ganz einfach sind.

Wie gehen Sie damit um?

Fliegauf: Ich muss sagen, es ist mir bisher ganz gut gelungen, dass man immer korrekt, fair und professionell auseinander geht. Im Eishockey – im Basketball vielleicht auch – sieht man sich immer zwei-, dreimal im Leben, daher ist es auch wichtig für die eigene Reputation und die des Clubs, dass alles fair abläuft.

Die Süddeutsche Zeitung hat geschrieben ,Sie seien einer der einflussreichsten und prägendsten Manager der DEL. Widersprechen Sie oder nehmen Sie das an?

Fliegauf: Im März 2007 bin ich nach Wolfsburg gekommen, in die Zweite Liga. Wir sind dann gleich aufgestiegen und danach ging es immer in die richtige Richtung. Wir haben uns mit den Grizzlys über viele Jahre ein großes Standing in der DEL erarbeitet und gehören zu den Clubs, wo man schon genau hinschaut, was passiert. Und wenn die Leute der Meinung sind, dass es positiv ist, wenn ich dabei bin, ja, dann nehme ich das so uneingeschränkt hin (lacht).

Grizzlys Wolfsburg

Die Eishockeymannschaft aus Wolfsburg spielt seit der Saison 2007/2008 in der höchsten deutschen Liga, der DEL. Bereits eine Saison später gewann der Club den Deutschen Eishockey Pokal, was bis heute als größter Erfolg gilt. In der Liga etablierten sich die Grizzlys und spielten Saison für Saison eine konstant gute Rolle. In den Jahren 2011, 2016, 2017 und 2021 erreichte die Mannschaft das Play-Off-Endspiel um die Deutsche Meisterschaft, scheiterte aber jeweils. Von 2013 bis 2023 konnte bis auf eine Saison immer die Runde der letzten Vier erreicht werden. Der Austro-Kanadier-Amerikaner Mike Stewart trainiert das Team seit 2021. Neben der Kontinuität in den Clubstrukturen ist die Unterstützung von Volkswagen als Hauptsponsor ein wichtiger Erfolgsfaktor.

Basketball Löwen Braunschweig

Metabox, TXU, Stadtsport, Phantoms – das Braunschweiger Basketball-Bundesliga-Team musste von 2000 bis 2014 mehrere
Namensmetamorphosen durchlaufen, seit zehn Jahren spielt die Mannschaft als Basketball Löwen eine konstante Rolle in der BBL. Der höchsten deutschen Spielklasse gehört der Braunschweiger Basketball mit einer Saison Unterbrechung seit 1991 an. Im Jahr 2011 erreichten die Löwen das Pokalfinale. Ein Jahr später und zuletzt 2021 drangen sie bis ins Halbfinale um den deutschen Basketball-Pokal vor. Die Braunschweiger Nachwuchsarbeit galt lange als exzellent, Trainer Liviu Calin brachte Talente wie Dennis Schröder und Daniel Theis hervor, die 2023 gemeinsam Weltmeister wurden. Schröder, momentan bei den Brooklyn Nets in der NBA aktiv, ist seit 2022 Hauptgesellschafter und eine wesentliche Identifikationsfigur des Clubs.

Herr Mittmann, war Ihnen schon als Spieler klar, dass Sie Ihre berufliche Karriere im Sport fortsetzen, nur eben im Management?

Mittmann: Im Gegenteil. Mir war klar, dass ich nicht direkt im Sport weitermachen möchte. Wenn man wie ich bis 34 professionell gespielt hat und dann direkt mit einem weiteren Job im Basketballkontext startet, ist man mit 40, 42 Jahren völlig inkompatibel für jegliche andere Branchen. Das wollte ich nicht, dementsprechend habe ich dann auch einen anderen Weg gewählt.

Welchen?

Mittmann: Ich habe für eine Digitalagentur gearbeitet und dort extrem viel gelernt, meine Erfahrungen im Marketing und Sales machen dürfen. Das hat mir eine ganz andere Perspektive auf das Berufsleben und die Welt der „normalen“ Wirtschaft da draußen ermöglicht. Und das kommt mir jetzt zugute im Umgang mit Partnern und Sponsoren.

Was können Sie beide als Manager besonders gut und wo würden Sie sagen: Das ist nicht meine Stärke, dafür gibt es andere im Team?

Fliegauf: Ich glaube schon, dass ich die Leute für ein Engagement hier in Wolfsburg begeistern kann. Wir verkörpern das Familiäre, das Nahbare. Das ist eine Nische, die wir bewusst belegen wollen.

Erfolgreich?

Fliegauf: Ja. Wir haben vor allem ausländische Spieler, die zwischen fünf und acht Jahren mit ihrer Familie bleiben. „Wohlfühloase“ ist im Sport ein schwieriges Wort, aber es zeigt, dass das Umfeld für Familien hier sehr attraktiv und positiv ist. Wenn man diese Werte glaubwürdig vermitteln kann, hilft das bei der Akquise natürlich schon.

Gibt es auch Schwächen beim Manager Charly Fliegauf?

Fliegauf: Ich denke, es gibt keinen Bereich ,in dem ich wirklich gar nichts zu bestellen hätte. Ich wollte immer schon im Eishockey bleiben und habe in Augsburg nach meiner Spielerkarriere die Chance bekommen, im Managementbereich zu arbeiten, habe es dort von der Pike auf gelernt.

Wie ist das bei Ihnen, Herr Mittmann?

Mittmann: Da gehe ich mit, es ist ein Multifunktions-Job, weil wir die Arbeit nicht auf so viele Schultern verteilen können. Ich bin oft bei Sponsorengesprächen mit dabei – weil es häufig hilft, Unterstützung zu gewinnen, wenn man den Sport auch verkörpern kann. Wir verkaufen ja letztendlich Emotionen. Und da müssen wir die Message rüberbringen: Kommt zum Basketball oder zum Eishockey, weil wir hier ein emotionales, dynamisches Umfeld haben.

Nils Mittmann (links) und Charly Fliegauf in der EisArena Wolfsburg.
Nils Mittmann (links) und Charly Fliegauf in der EisArena Wolfsburg. © Holger Isermann | Holger Isermann

Im Vergleich mit Fußball-Bundesligisten müssen Sie also mehr Felder abdecken …

Mittmann: Und da kommt das große Wort „Leidenschaft“ ins Spiel, eigentlich schon die Überschrift für dieses Interview. Leidenschaft für den Basketball treibt mich an, als gebürtiger Braunschweiger auch den Standort Braunschweig aufzubauen und weiterzuentwickeln. Ich konnte sehr von dem hiesigen Basketball-Umfeld profitieren und hatte die Chance, professionell zu spielen und mir einen Lebenstraum zu erfüllen. Das erfüllt mich mit großer Dankbarkeit. Ich hoffe, mich auch selbst stetig weiterentwickeln zu können und vielleicht auch eine so lange und erfolgreiche Karriere zu haben wie Charly.

Herr Fliegauf, angenommen, beim VfL Wolfsburg läuft es irgendwann nicht wie erhofft und man wünscht sich dort externe Impulse im Management: Könnten Sie sich vorstellen, sich im Fußball neu zu erfinden?

Fliegauf: Schwierig. Es gibt viele Dinge, die ähnlich sind, ich habe auch hin und wieder einen Austausch mit den Verantwortlichen, aber letztendlich hängt da im Fußball viel mehr dran. Wir haben bei den Grizzlys kurze Entscheidungswege, überschaubare Gremien. Das macht vieles einfacher und schneller.
Mittmann: Ich genieße den Austausch sehr, etwa mit Marcel Schäfer, der uns wirklich tiefe Einblicke in die Strukturen des Wolfsburger Profifußballs gegeben hat. Ich kann die Frage nicht für die Zukunft beantworten, aber Stand heute ist es die Leidenschaft für den Basketball, die mich antreibt. Wenn man den Manager-Job nur für Geld, aber nicht aus echter Leidenschaft für die Sache macht, kann man nie das Maximum herausholen.

Es gibt im Fußball den Satz, dass Geld Tore schießt. Wie ist das bei Ihnen? Kann der Etat einen möglichen Erfolg stark limitieren oder kann man tatsächlich durch gutes Management am Ende erfolgreicher sein, als es das Geld eigentlich hergibt?

Mittmann: Man kann immer über- oder „underperformen“. Das ist völlig normal. Aber natürlich spielt Geld generell eine Rolle und jeder Club in der ersten Bundesliga, sei es im Eishockey oder Basketball, hat mittlerweile Profis im Management. Ich glaube, je mehr Geld man dort zur Verfügung hat, desto höher ist einfach die Wahrscheinlichkeit für sportlichen Erfolg.

Basketball Bundesliga: Löwen Braunschweig (am Ball: Brandon Tischler) gegen Rostock Seawolves.
Basketball Bundesliga: Löwen Braunschweig (am Ball: Brandon Tischler) gegen Rostock Seawolves. © Stefan Lohmann | Stefan Lohmann
Ryan McKiernan von den EisbŠren Berlin und Gerrit Fauser von den Grizzlys Wolfsburg wŠhrend des Spiels zwischen den Grizzlys Wolfsburg gegen die EisbŠren Berlin am 05.05.2021 in Wolfsburg, Deutschland. (Foto von City-Press GmbH)
Ryan McKiernan von den EisbŠren Berlin und Gerrit Fauser von den Grizzlys Wolfsburg wŠhrend des Spiels zwischen den Grizzlys Wolfsburg gegen die EisbŠren Berlin am 05.05.2021 in Wolfsburg, Deutschland. (Foto von City-Press GmbH) © City-Press GmbH | City-Press GmbH

Wie definieren Sie sportlichen Erfolg?

Mittmann: Das ist eine interessante Frage. Wir zum Beispiel definieren „sportlich erfolgreich“ nicht in erster Linie über den Tabellenplatz. Wir fokussieren uns stark auf das Thema Spielerentwicklung und sehen insbesondere diesen Bereich auch als Kennzahl für sportlichen Erfolg. Ich denke, man muss als Club aus einer klaren Identität ein sportliches Konzept entwickeln und sagen: Innerhalb dieses Konzeptes haben wir Ziele. Das definiert unseren Erfolg oder Misserfolg.
Fliegauf: Im Endeffekt braucht man eine gewisse wirtschaftliche Ausstattung, um überhaupt erfolgreich zu sein. Und dann spielt auch die jahrelange Entwicklung eine Rolle. Spieler weiterentwickeln, besser zu machen – und wenn vermeintlich größere Clubs mal keine guten Entscheidungen treffen, kannst du deren Platz auch mal einnehmen. Am Ende ist es, glaube ich, ein kontinuierlicher Stamm von Spielern und Trainern, welche die Basis für Erfolg sind.
Mittmann: Mit Kontinuität lässt sich auch eine eigene Kultur entwickeln. Und wenn man diese lebt, schafft man es, besser zu sein als der Durchschnitt. Viele Clubs im Sport geben sich sehr kurzfristige Ziele, ich halte das für einen Fehler. Wenn man aber den eigenen Ansatz konsequent verfolgt und eine gute Konstellation vorhanden ist, können gute Sachen passieren. Man schaue sich den SC Freiburg an, Heidenheim oder eben auch die Grizzlys.

Nervt Sie der Medienfokus auf den Fußball und die damit verbundenen höheren Etats?

Fliegauf: Fußball ist eben die populärste Sportart in Deutschland, daher ist auch die Aufmerksamkeit von den Medien eine ganz andere. Es ist aber gut, dass wir uns in den letzten Jahren mit Basketball und Eishockey ein gewisses Standing in der Gesellschaft erarbeitet haben. Jetzt müssen wir es nur hinbekommen, mehr junge Menschen als aktiven Nachwuchs für unsere Sportarten zu begeistern.
Mittmann: Es ist trotz aller Verdienste des Fußballs fast schon skandalös, wenn man sich wie das deutsche Fernsehen so schwer mit der Übertragung der Basketball-WM tut, wie im letzten Jahr. Mit Hängen und Würgen hat man es gerade hinbekommen, das Finale ins Öffentlich-Rechtliche Fernsehen zu bringen, das sich dann aber auch gut vier Millionen Menschen angesehen haben.

Das Potenzial ist also vorhanden?

Mittmann: Deutschlandweit wird das Fan-Potenzial für Sportarten außerhalb des Fußballs auf 25 Millionen geschätzt. Das müsste allerdings auch medial repräsentiert werden, denn momentan sind wir viel abhängiger von Sponsoren als der Fußball, nämlich bei rund 65 bis 70 Prozent des Etats. Und als Unternehmen kaufe ich Werbeflächen über Reichweiten, insofern haben die Medien einen starken Einfluss darauf, wie sich das Geschäft entwickelt.

Also sind die Sponsoren die eigentlichen Adressaten des Produktes „Basketball in Braunschweig“?

Mittmann: Wir machen unser Produkt für die Fans und am Ende haben wir mit dem Spieltag und der medialen Berichterstattung eine Plattform, die uns viele Möglichkeiten für die Integration von Unternehmen bieten. Wir haben Zugang zu spezifischen Zielgruppen und schauen, was für Lösungen wir kreieren können. Wichtig ist, dass wir als Club viel in unsere Marke investieren. Und die Basis dieser Marke ist immer der Sport, verbunden mit einer Identität.
Fliegauf: Richtig. Bei uns ist diese Identität stark mit der Arbeiterstadt Wolfsburg verbunden. Die Menschen hier arbeiten hart, auch wir Grizzlys kommen eher über mannschaftliche Geschlossenheit als über teure und filigrane Techniker. Diese Arbeitermentalität passt und wird von den Fans und Sponsoren auch honoriert.

Dennis Schröder und Volkswagen: Sind das die Fixsterne Ihrer Clubs, deren Bedeutung über die des Eigentümers oder Sponsors hinausgeht?

Fliegauf: Ganz klar, ohne Volkswagen würden wir wahrscheinlich nicht in der DEL spielen – auch wenn wir in den letzten Jahren den Sponsorenpool erweitern konnten. Auf der anderen Seite sind wir ein verlässlicher Partner für VW, ohne Skandale und mit einer kontinuierlichen Entwicklung.
Mittmann: Dennis Schröder ist unglaublich wichtig für den Braunschweiger Basketball. Er verkörpert, wie kein anderer, wofür der Braunschweiger Weg der Talententwicklung steht. Wenn jemand es nach ganz oben schafft mit seinen hier erlernten Fähigkeiten und am Ende viel zurückgibt, ist das sehr bemerkenswert. Die Struktur, die Dennis groß gemacht hat, gibt jetzt auch durch ihn neuen Kindern und Jugendlichen tolle Möglichkeiten.
Fliegauf: Dennis Schröder ist der Best Case :Ein Weltklasse-Spieler, der sich selbst mit der Stadt und seinem alten Club identifiziert und diesen nun mit Präsenz und Geld unterstützt. Das ist einmalig.

Braunschweig, 15.09.2023, Basketball Weltmeister 2023 Dennis Schröder verewigt sich im Goldenen Buch der Stadt und feiert vom Altstadtrathausbalkon aus mit seinen Fans. Dennis Schröder mit Löwen Braunschweig Team
Foto: Darius Simka/regios24
Braunschweig, 15.09.2023, Basketball Weltmeister 2023 Dennis Schröder verewigt sich im Goldenen Buch der Stadt und feiert vom Altstadtrathausbalkon aus mit seinen Fans. Dennis Schröder mit Löwen Braunschweig Team Foto: Darius Simka/regios24 © regios24 | Darius Simka

Glauben Sie, dass Schröder, wie angekündigt, noch einmal in Braunschweig spielt und so ein weiteres Braunschweiger Basketball-Märchen schreiben wird?

Mittmann: Ich würde nicht ausschließen, dass es einmal so kommt. Dennis’ Identifikation mit dem Club und der Stadt ist enorm hoch. Auch sein Wille, hier vor dem Braunschweiger Publikum zu spielen, das nochmal zu genießen und auch Erfolge zu feiern, ist sehr groß, glaube ich.

Er sagte, sogar auf einem Bein würde er nochmal für die Löwen antreten...

Mittmann: Es macht mir ein bisschen Angst, wenn Dennis Ziele formuliert (lacht). Er war schon immer ambitioniert, aber er lässt seinen Zielen auch Taten folgen. Als 18-Jähriger hat er gesagt: Ich gehe in die NBA – und es dann auch getan. Er wollte Weltmeister werden – und hat es geschafft. Dennis Schröder ist kein normaler Mensch, er ist außergewöhnlich. Wenn man es so skripten würde, wäre seine Rückkehr zu den Basketball Löwen tatsächlich das Hollywood-Ende.