Braunschweig. Die Stadt Braunschweig will die Schulbezirke neu zuschneiden. Warum und wer davon betroffen sein wird, erfahren Sie hier.

An den Braunschweiger Gymnasien wird die Schülerzahl in den kommenden Jahren kräftig steigen. Davon geht die Stadtverwaltung aus. Und das bringt Probleme mit sich.

Der Hauptgrund für die steigenden Schülerzahlen: In den ersten und zweiten Klassen der Braunschweiger Grundschulen sitzen geburtenstarke Jahrgänge. Absehbar ist somit, dass ab dem Schuljahr 2025/26 pro Jahrgang rund 200 bis 300 Schülerinnen und Schüler mehr an die weiterführenden Schulen wechseln werden als bislang, so die Berechnung der Stadt. Etwa die Hälfte von ihnen, das zeigt die Erfahrung, wird voraussichtlich auf ein Gymnasium wechseln. Durch die Entwicklung neuer Baugebiete im Stadtgebiet wird die Schülerzahl zusätzlich steigen.

Das Problem: Die neun städtischen Gymnasien kommen schon jetzt an ihre Kapazitätsgrenzen. Die Stadt will nun weitere Standorte ausbauen. Doch das wird nicht reichen, so die Befürchtung. Damit in Zukunft weiterhin allen Braunschweiger Kindern, die ein Gymnasium besuchen wollen, ein Platz angeboten werden kann – und darauf besteht ein Rechtsanspruch –, will die Stadt die Schulbezirke neu zuschneiden. Damit hätten weniger Kinder aus umliegenden Landkreisen die Möglichkeit, ein Gymnasium in Braunschweig zu besuchen. Aktuell gehen etwa 1700 Schülerinnen und Schüler aus umliegenden Landkreisen und Städten wie Wolfenbüttel, Helmstedt und Gifhorn auf ein städtisches Gymnasium in Braunschweig.

In Braunschweig muss Platz geschaffen werden für sechs zusätzliche 5. Klassen

In den Spitzenjahren 2025/26 und 2026/27 müssen laut Stadtverwaltung an den Gymnasien voraussichtlich bis zu 44 fünfte Klassen gebildet werden. In den Jahren danach werden es voraussichtlich etwas weniger, aber immerhin noch bis zu 41 Klassen sein. Die Gymnasien Neue Oberschule, Ricarda-Huch-Schule und Lessinggymnasium wurden und werden bereits ausgebaut, sodass die Gesamtkapazität anschließend bei 38 Klassen im fünften Jahrgang liegt: Es fehlten dann noch sechs fünfte Klassen.

Jedes Braunschweiger Gymnasium, bis auf die Kleine Burg, muss eine zusätzliche 5. Klasse schaffen

In ihrer Vorlage für die politischen Gremien stellt die Stadtverwaltung klar: „Alle Gymnasien – mit Ausnahme der Kleinen Burg, die derzeit über keinerlei räumliche Reserven verfügt – werden mindestens eine zusätzliche Klasse aufnehmen müssen.“ Mobile Raumeinheiten (Container) sind als Zwischenlösung angedacht. Geplant ist außerdem, drei Standorte auszubauen: Die Hoffmann-von-Fallersleben-Schule soll fünfzügig werden (das heißt: fünf Klassen pro Jahrgang) und das Lessinggymnasium in Wenden soll so ausgestattet werden, dass es in der Lage ist, jedes zweite Jahr sechs fünfte Klassen aufzunehmen. Das Gymnasium Kleine Burg soll, sobald die bauliche Erweiterung in die ehemalige Burgpassage erfolgt ist, jedes zweite Jahr vier fünfte Klassen aufnehmen.

Damit wären die Erweiterungsmöglichkeiten an den bestehenden Schulen ausgereizt. Weil der Platz dennoch nicht reichen wird, schreibt die Stadtverwaltung, „ist zusätzlich eine dauerhafte Reduktion der Aufnahme von auswärtigen Schülern und Schülerinnen unumgänglich“. Derzeit sind Teilbereiche der Landkreise Helmstedt, Gifhorn und Wolfenbüttel den Schulbezirken Braunschweiger Gymnasien zugeordnet.

Diesen Schülern soll der Zugang zu Braunschweigs Gymnasien künftig verwehrt bleiben:

Schüler aus dem Südbereich des Landkreises Wolfenbüttel (Sickte inklusive Hötzum, Neuerkerode und Volzum, Veltheim, Evessen inklusive Hachum und Gilzum sowie Erkerode inklusive Lucklum) sollen künftig nicht mehr zum Schulbezirk der Braunschweiger Gymnasien gehören. Ebenso Schüler aus dem Norden der Samtgemeinde Papenteich: Adenbüttel, Rötgesbüttel, Meine, Gravenhorst, Wedelheine, Wedesbüttel, Vordorf, Rethen, Ohnhorst, die bislang zum Schulbezirk des Lessinggymnasiums in Wenden gehören. Da die Schulwege für die Schüler zumutbar bleiben sollen, sollen andere Gemeinden sowie der Kreis Helmstedt von den Veränderungen ausgeschlossen bleiben.

Die Stadt betont: Schüler, die bereits in Braunschweig aufgenommen wurden oder in diesem Sommer aufgenommen werden, können ihren Schulbesuch hier auch beenden. Jüngere Kinder aus gesagten Bereichen, darunter auch Geschwisterkinder von in Braunschweig beschulten Kindern, müssten hingegen künftig weiterführende Schulen in ihrem Landkreis besuchen.

Was besondere Bildungsgänge angeht – etwa des Musikzweigs der Gaußschule oder des altsprachlichen Zweigs des Wilhelm-Gymnasiums –, bleibt die Aufnahme von auswärtigen Schülern möglich, aber nur im Rahmen der jeweiligen Aufnahmekapazität der Schulen.

Schulleiter: Die Notwendigkeit leuchtet ein – begeistert ist man aber nicht

Was sagen die betroffenen Schulleitungen dazu? Volker Ovelgönne, Leiter des Wilhelm-Gymnasiums, findet die Argumente der Stadtverwaltung nachvollziehbar. Er weiß: „Die baulichen Möglichkeiten sind nahezu ausgereizt.“ Er lobt die Stadt als Schulträger für die langfristige Planung und dafür, „dass sie mit uns Schulen frühzeitig in den Dialog getreten ist“. Das sei hilfreich. Er gibt zu: „Wir sind nicht uneingeschränkt begeistert. Aber wir erkennen die Notwendigkeit an.“ Die Elternschaft habe bislang unaufgeregt auf die Pläne der Stadt reagiert.

Stefan Lüttenberg, Leiter der Gaußschule, begrüßt ebenfalls „die vorausschauende Planung“ der Verwaltung, gibt aber zu bedenken, dass die infrastrukturelle Anbindung des Wolfenbütteler Nordens an das Zentrum von Wolfenbüttel deutlich schlechter sei als an das Braunschweiger. Insbesondere am Nachmittag ließe die Busverbindung zu wünschen übrig. Bedauerlich fände er auch, dass Familien aus Sickte und den umliegenden Dörfern, die nach Auflösung des Landkreises Braunschweig vor 50 Jahren noch immer eine enge Bindung zu Braunschweig und seiner Schule pflegen, der Besuch der Gaußschule künftig verwehrt bliebe.

In den Landkreisen kommen die Überlegungen nicht sonderlich gut an. In Sickte formiert sich bereits Widerstandgegen das Braunschweiger Vorhaben, ein Runder Tisch sei in Planung. Auch im Süden des Landkreises Gifhorn macht sich Unruhe breit, hier ist der Wunsch groß, dass zumindest die Geschwisterkindervon Kindern, die bereits in Braunschweig beschult werden, weiterhin hier aufgenommen werden.

Das Lessinggymnasium in Wenden ist am stärksten von den Änderungen betroffen

Am stärksten werden die geplanten Änderungen das Lessinggymnasium in Wenden treffen, denn hier ist der Anteil von Schülern aus dem Papenteich traditionell hoch. Im aktuellen fünften Jahrgang kommen knapp 30 Schüler aus dem nördlichen Papenteich. Vor einigen Jahren, als der Kreis Gifhorn an den bestehenden Schulbezirken rütteln wollte, gab es heftigen Widerstand aus der Elternschaft. Schulleiter Matthias Schröder möchte sich zu den aktuellen Plänen nicht äußern. Per E-Mail schreibt er: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich Schulträgerangelegenheiten nicht öffentlich kommentiere.“

Der Schulausschuss hat den Plänen der Stadt bereits einstimmig zugestimmt. Nun muss der Rat der Stadt über das Vorhaben entscheiden. Voraussichtlich wird das Thema am 14. Mai auf der Tagesordnung stehen.

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