Vechelde. Der Politik-Leistungskursus im zwölften Jahrgang des Gymnasiums sieht mit Ängsten auf Europa: Er nennt Rechtsradikale und Klimawandel.

Von einer solchen Wahlbeteiligung kann die Europäische Union (EU) nur träumen: 13 der 14 wahlberechtigten Schüler im zwölften Jahrgang des Politik-Leistungskursus im Vechelder Gymnasium wollen bei der Europawahl im Juni ihre Stimme abgeben – eine überragende Quote von fast 100 Prozent.

Neu gewählt wird das EU-Parlament in Straßburg bei der Europawahl – in Deutschland ist der 9. Juni der Wahltag.
Neu gewählt wird das EU-Parlament in Straßburg bei der Europawahl – in Deutschland ist der 9. Juni der Wahltag. © DPA Images | Jean-Francois Badias

Mit dem Urnengang am 9. Juni in Deutschland beschäftigt sich der Kursus mit seinem Lehrer Sebastian Preis intensiv im Unterricht, zumal diese Schüler dank des auf 16 Jahre heruntergesetzten Wahlalters nunmehr Erstwähler für Europa sind. Entsprechend scheint der Wissensdurst zu sein – das wird in der doppelten Schulstunde deutlich, in der sich die Zwölftklässler zu den Fragen ihrer Mitschüler deutlich positionieren müssen.

Europawahl – die meisten fühlen sich gut informiert

Demnach fühlen sich zwar die meisten Jugendlichen „gut informiert“ über die Parteien zum Euro-Urnengang, doch es gibt auch nachdenkliche Töne: „Europa ist für viele weit weg“, stellt der Schüler Simon fest. Und ein anderer meint: „Obwohl ich die Nachrichten für meinen Geschmack gut verfolge, weiß ich noch nicht in jedem Fall, wofür die Parteien stehen.“ Die Slogans auf den Wahlplakaten gäben auch nicht wirklich Aufklärung. Kleiner Tipp von Mitschülern: Der Wahl-O-Mat im Internet sei eine nützliche Hilfe bei der Suche nach der „richtigen“ Partei.

Wobei der Politik-Kursus nicht nur bei jedem einzelnen, sondern auch bei der Schule eine Verantwortung dafür sieht, sich über Wahlen und damit über die politischen Angebote der Partien zu informieren. Fabian merkt allerdings an, eine Schule sei aufgrund des oft vorgegebenen Unterrichtsstoffs „nicht so flexibel, um auf aktuelle Dinge wie eine Europawahl“ zu reagieren. So sieht eine seiner Mitschülerinnen die jeweiligen Eltern als die „Basis“ an für politisches Interesse, wobei sich in den Diskussionen durchaus auch herausstellen könne, dass Kinder ganz andere politischen Haltungen verträten als ihre Eltern.

Europawahl – „Rechtsruck in Deutschland“

Bemerkenswert – um nicht zu sagen erschütternd – ist: Die hohe Wahlbeteiligung im Politik-Kursus rührt offenbar auch aus der Angst um die Zukunft der EU. Auf die Frage „Macht Euch der Rechtsruck in Deutschland/in der EU Sorgen?“ positionieren sich jedenfalls alle mit einem „Ja“. Im Alltag, berichtet ein Schüler schockiert, werden „wir zunehmend konfrontiert mit rechten Äußerungen“, wobei die Leute „oft solche Parolen übernehmen, ohne viel Hintergrundwissen zu haben“. Den AfD-Europa-Abgeordneten Maximilian Krah, der unter anderem wegen seiner Nazi-Aussagen in die Schlagzeilen geraten ist, kennen alle Schüler aufgrund der Berichterstattung in den Medien/sozialen Medien – bei den Europa-Spitzenkandidaten der anderen Partien ist das nicht (immer) der Fall.

Einen generellen „Rechtsruck“ stellt ein Schüler bei vielen Parteien in Deutschland fest und verweist beispielsweise auf die Flüchtlingspolitik – wobei er appelliert: Es sei nach wie vor und nun erst recht wichtig, mit „AfD-Wählern zu sprechen“, um sie davon zu überzeugen, ihre Meinung zu ändern. Bei Volksfesten, berichten sie im Kursus, seien bereits vermehrt rechtsradikale Äußerungen zu hören.

Europawahl – Sorgen wegen rassistischer Gesänge

Nachdenklich machen den Politik-Kursus auch die rassistischen Gesänge in einer Bar auf Sylt. Dabei nutzten zwar bestimmte Leute die „Lücken“ aus für solche Parolen, doch eindringlich appelliert der Jugendliche auch, fair zu bleiben: Vor einer (rechtskräftigen) Gerichtsverurteilung dürfe es keine Vorverurteilung geben. Er selbst lehne solchen Rassismus rigoros ab, aber es helfe auch nicht, mit „Hass auf diesen Hass zu reagieren“ – er wisse, „wie schwierig es ist, so etwas zu sagen“, und bitte daher ausdrücklich darum, nicht mit Namen zitiert zu werden. Eine Mitschülerin sieht gar einen Trend in der Gesellschaft, solche Parolen zu „verharmlosen“ und „ohne nachzudenken“ zu verbreiten – gegebenenfalls auch in Kombination mit Alkoholkonsum.

Doch nicht nur das Erstarken der Rechtsradikalen macht den Teenagern Sorgen, sondern auch der Klimawandel: Die Frage von Anna, ob die EU mehr tun solle für den Klimaschutz, diskutieren der Kursus kontrovers. Zwar sprechen sich die Jugendlichen für mehr Klimaschutz aus, doch ein Schüler stellt die Frage, ob das alles überhaupt machbar sei: So müsse die Wirtschaft einerseits in neue klimafreundliche Technologien investieren, andererseits aber möglicherweise auch noch Strafgelder zahlen, weil sie für eine gewisse (Übergangs-)Zeit auch noch die „alte“ Technologie weiterführen müsse: „Können wir uns den Umweltschutz leisten, ohne die Wirtschaft kaputtzumachen?“ Eine Schülerin setzt hinzu: „Nicht jeder kann sich ein Elektro-Auto kaufen.“

Europawahl – für Deutschland in der EU

Eine klare Haltung gibt es unter den Politik-Schülern zur Mitgliedschaft Deutschlands in der EU: ein Bekenntnis zu dieser Zugehörigkeit. „Deutschland zahlt am meisten für die EU, profitiert aber auch am meisten davon“, erinnert Cedric. Zwar gebe es auch Punkte, die „nicht gut laufen“ – etwa dass „die Flüchtlinge besser auf alle EU-Länder aufgeteilt werden sollten“. Aber grundsätzlich sei es wichtig, in der EU als „Gruppe“ aufzutreten – also stärker als alleine.

Die Bürger mitzunehmen – das ist nicht nur das Anliegen der EU; das ist auch die Strategie des Vechelder Gymnasiums in Bezug auf die Schülerschaft: So ist der Besuch unserer Redaktion im Politik-Leistungskursus nicht nur mit der Schulleitung und den Schülern im Kursus abgesprochen gewesen, sondern auch mit der Schülervertretung (SV).

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