Wolfenbüttel. So äußern sich Personen des öffentlichen Lebens über den Geistlichen, dem der Hildesheimer Bischof den Rücktritt nahelegt.

Die Stimmen der Solidarität für den Wolfenbütteler Pfarrer Matthias Eggers reißen nicht ab. So äußerten sich Personen des öffentlichen Lebens zum Vorgehen des Bistums Hildesheim, das den kritischen Seelsorger zum Rücktritt auffordert. Eggers hatte zuvor öffentlich die schleppende Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs innerhalb der katholischen Kirche kritisiert - und dabei auch gegen Bistum und Bischof ausgeteilt. Wir dokumentieren einige der Äußerungen hier im Wortlaut.

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Wolfenbüttels Bürgermeister Ivica Lukanic

In einem offenen Brief wendet sich Wolfenbüttels Bürgermeister Ivica Lukanic an Bischof Heiner Wilmer (Hildesheim). Grund ist die Reaktion des Bischofs auf ein Interview von Pfarrer Matthias Eggers. In diesem kritisierte Eggers, dass der Aufklärung von sexuellen Missbrauchsfällen im Bistum nicht genug Aufmerksamkeit zukommt. Der Bischof hat den Pfarrer nun aufgefordert, sein Amt als Pfarrer in den nächsten 15 Tage, also bis zum 7. Juni, niederzulegen. Wenn er dies nicht mache, drohe ihm ein Amtsenthebungsverfahren. 

Dazu schreibt Ivica Lukanic:

In Zeiten in denen Institutionen und ihre Verantwortlichen um Glaubwürdigkeit ringen, können Kirchen Orte der Hoffnung sein. Die Gesellschaft darf die unvoreingenommene Aufarbeitung sexualisierter Gewalt auch in der Kirche verlangen. Ehrlichkeit, Integrität und Respekt für das Leben gehören zu unserem Wertekanon, in der die Kirche hoffentlich ebenso eine moralische Instanz ist. Insbesondere, wenn sich ihre Akteure mutig den Herausforderungen stellen und die Aufklärung sexualisierter Gewalt einfordern, ist grade dies zu begrüßen. 

Matthias Eggers ist so ein Akteur und Aufklärer, der mit Strahlkraft und Mut durch sein proaktives Handeln, das Vertrauen der Gemeindemitglieder und über die Gemeinde hinaus das unserer Stadtgesellschaft genießt. Ich habe ihn in all den Jahren der Zusammenarbeit nicht anders kennengelernt. Wenn Kirche sich also als einladende und verantwortungsbewusste Institution verstehen will, muss sie spürbar, aktiv und transparent aufklären. 

Ivica Lukanic, Wolfenbüttels Bürgermeister
Ivica Lukanic, Wolfenbüttels Bürgermeister © regios24 | Stadt Wolfenbüttel

Ich schreibe diesen offenen Brief, um meine Unterstützung für Pfarrer Matthias Eggers zum Ausdruck zu bringen und spreche auch im Namen zahlreicher Bürgerinnen und Bürger der Stadt Wolfenbüttel. Das mutige und notwendige Statement von Pfarrer Eggers hat offensichtlich und für mich nicht nachvollziehbar dazu geführt, dass er von Ihnen aufgefordert wurde, sein Amt als Pfarrer innerhalb der nächsten 14 Tage niederzulegen. Sollte er dies nicht tun, droht ihm von Ihrer Seite ein Amtsenthebungsverfahren. 

Ich betone, dass ich Ihre Haltung nicht teile und Ihre Reaktion auf die offenen Worte des Pfarrers ablehne. Ich glaube, dass Pfarrer Eggers durch sein mutiges Handeln und seine Bereitschaft, Missstände öffentlich anzusprechen, einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung von Missbrauchsfällen leistet und nicht, wie Sie behaupten, „dem Volk Gottes großen Schaden zugefügt“ hat.

„Sie zementieren die Sprachlosigkeit der Opfer und befördern die Verschwiegenheit der Täter.“

Ivica Lukanic, Wolfenbüttels Bürgermeister

Mit Verlaub, dies machen Sie mit Ihrer völlig übertriebenen Reaktion. Ich bin erschüttert über die Entwicklung und fordere Sie auf im Sinne aller Betroffenen, den Diskurs zu führen und ihn nicht etwa durch personelle Maßnahmen zu beenden. Sie zementieren die Sprachlosigkeit der Opfer, wenn Sie ihnen die Stimme, die ihnen durch Fürsprecher wie Herrn Eggers gegeben wird, angreifen und befördern die Verschwiegenheit der Täter.

Propst Dieter Schultz-Seitz

Dieter Schultz-Seitz ist Propst der evangelisch-lutherischen Propstei Wolfenbüttel. Er erklärt:

„Wir sind erschüttert über die im Raum stehenden dienstlichen Konsequenzen für Matthias Eggers und zugleich beeindruckt von der Kraft der Solidarität in diesen Tagen aus der Gemeinde und der Zivilgesellschaft. Natürlich waren auch Vertreterinnen und Vertreter unserer Gemeinden am Sonntag mit dabei.

Propst Dieter Schultz-Seitz, Wolfenbüttel
Propst Dieter Schultz-Seitz, Wolfenbüttel © Privat

Parallel wurden außerdem in vielen Gottesdiensten, die bei uns stattgefunden haben, ebenfalls Unterschriften gesammelt und Fürbitte für Matthias Eggers und die Gemeinde gehalten. Wir sehen den Einsatz den Pfarrer Eggers und die Kirchengemeinde zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen und zur Anerkennung der Opfer geleistet haben, als vorbildlich. Dieser Einsatz sollte eigentlich besonders ausgezeichnet werden, weil er die Voraussetzung für die Glaubwürdigkeit kirchlichen Arbeitens darstellt und so wichtig ist.

„Wir sehen den Einsatz den Pfarrer Eggers und die Kirchengemeinde zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen geleistet haben, als vorbildlich. “

Dieter Schultz-Seitz

Wir sind in vielfältiger Weise mit unser Schwesterkirche und mit Pfarrer Eggers verbunden, in Freundschaft und im offenen Gespräch, im gemeinsamen Glaubenszeugnis und in direkter ökumenischer Zusammenarbeit auf vielen Feldern unseres Wirkens. Wir schätzen die Arbeit von Pfarrer Matthias Eggers sehr hoch, der hier in Wolfenbüttel so vieles auf den Weg gebracht hat. Wir möchten gern die gemeinsame Arbeit mit ihm und der Pfarrei fortsetzen und weiter ausbauen, zum Wohle des Volkes Gottes, dem wir auch angehören.“

Marc Lohmann, Bürgermeister Samtgemeinde Oderwald

Der parteilose Bürgermeister Marc Lohmann war am Sonntag in der Wolfenbütteler Kirche und sich einen Eindruck von der Solidarität machen konnte.

„Das entschlossene und mutige Handeln von Pfarrer Matthias Eggers erfährt meine uneingeschränkte Unterstützung. Seit vielen Jahren setzt sich Eggers für eine lückenlose Aufarbeitung und Aufklärung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche ein. Der Vorwurf von Bischof Wilmer, er habe der katholischen Kirche mit seinen Aussagen großen Schaden zugefügt, ist nicht nur verstörend, sondern lässt die Opfer sexueller Gewalt fassungslos zurück. Ein Amtsenthebungsverfahren gegen Pfarrer Eggers entbehrt jeglicher Grundlage und erweckt den Eindruck, mundtot gemacht zu werden.

Der Bürgermeister der Samtgemeinde Oderwald, Marc Lohmann.
Der Bürgermeister der Samtgemeinde Oderwald, Marc Lohmann. © Unbekannt | Stephan Querfurth

Wie isoliert die Meinung des Bistums Hildesheim ist, zeigt auch die beeindruckende Solidarität, die Pfarrer Eggers aus der Gesellschaft durchweg erfährt.“

Christiana Steinbrügge, Landrätin des Kreises Wolfenbüttel

Auf Anfrage unserer Zeitung äußert sich auch Wolfenbüttels Landrätin Christiana Steinbrügge (SPD): „Die Reaktion von Bischof Wilmer auf das mutige und nötige Engagement von Pfarrer Eggers halte ich für deutlich überzogen. Das Anliegen von Pfarrer Eggers ist es, Vorfälle von sexualisierter Gewalt unvoreingenommen aufzuklären.

Landrätin Christiana Steinbrügge.
Landrätin Christiana Steinbrügge. © Unbekannt | Bernward Comes

Wenn es unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, in welcher Form dies am besten geschieht, so sollte man darüber ins Gespräch kommen. Eine vollständige und ehrliche Aufarbeitung der Fälle ist wichtig für die Opfer und muss nicht zuletzt auch im Interesse des Bistums liegen, um als Kirche moralisch glaubwürdig zu bleiben. Ich bin beeindruckt von den vielen Menschen, die mit ihrer Teilnahme am Gottesdienst am Sonntag gezeigt haben, dass auch sie diese Art der Reaktion nicht nachvollziehen können.“   

Dirk Neumann, Bürgermeister Samtgemeinde Elm-Asse

„Ich als Christ bin erschrocken und sprachlos über das Handeln des Bistums Hildesheim gegenüber Pfarrer Eggers. Pfarrer Eggers hat das Herz und den Mut, die wahrgenommenen Missstände öffentlich anzusprechen. Ich erachte die Offenheit von Pfarrer Eggers als richtig und wichtig“, teilt Dirk Neumann als Samtgemeindebürgermeister Elm-Asse mit.

Dirk Neumann, Samtgemeindebürgermeister Elm-Asse
Dirk Neumann, Samtgemeindebürgermeister Elm-Asse © FMN | Samtgemeinde Elm-Asse

Seine Kritik sollte im Bistum als Chance verstanden werden und dazu führen, schnellstens in ein Umdenken einzutreten, findet Neumann und weiter: „Stattdessen erfolgt eine nicht nachvollziehbare und meines Erachtens völlig überzogene Reaktion mit den angekündigten personellen Konsequenzen. Dieses Handeln vermittelt den Opfern der Missbrauchsfälle ein äußerst irritierendes Signal.“

Neumann appelliert „an das Bistum Hildesheim und Bischof Wilmer im Sinne aller Betroffenen einen anderen, mit der notwendigen Transparenz versehenen Weg einzuschlagen und die personellen Maßnahmen gegen Pfarrer Eggers zu beenden.“
 

Der Betroffenenrat Nord

„Der Betroffenenrat Nord besteht aus Personen, die direkt oder als Angehörige von schwerster sexueller Gewalt durch Priester oder andere Mitarbeiter der katholischen Kirche betroffen sind – und dennoch: Der Betroffenenrat Nord solidarisiert sich mit Matthias Eggers, Priester des Bistums Hildesheim, Pfarrer von Wolfenbüttel!

Pfarrer Eggers wurde von Bischof Heiner Wilmer aufgefordert, freiwillig vom Amt des Pfarrers zurückzutreten und in eine Auszeit zu gehen – andernfalls behält sich der Bischof ein Amtsenthebungsverfahren vor. Grund hierfür ist, dass der Pfarrer die mangelnde Aufarbeitung in seinem Bistum in einem Interview scharf kritisiert hat, womit er aus Sicht der Bistumsleitung dem Volk Gottes Schaden zugefügt habe.

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Pfarrer Eggers wird von vielen Betroffenen im Bistum (und darüber hinaus) sehr geschätzt, da er Sprachräume für das oft Unsagbare eröffnet, zuhört, sich persönlich engagiert, Betroffene begleitet, kurz: Ein Seel-Sorger ist. Deshalb suchen etliche Betroffene aktiv den Kontakt zu ihm. Wie viele unsägliche Leidenswege er gehört, gelesen und begleitet hat und immer noch begleitet, das weiß nur er selbst – es sind etliche!

Auch die meisten Mitglieder des Betroffenenrats stehen in gutem Kontakt zu ihm und schätzen ihn für sein Engagement sehr. Das Bistum Hildesheim will sich für schonungslose Aufarbeitung einsetzen, der Bischof „jeden Stein umdrehen“ – und wirft dem Priester in seinen Diensten, der sich so konsequent wie kein anderer Geweihter im Bistum Hildesheim für die Betroffenen einsetzt, vor, dem Gottesvolk zu schaden!? Missbrauch, Vertuschung, Täterschutz schaden dem Volk Gottes und der Glaubwürdigkeit der Kirche – Mitgefühl, Engagement und Kritik, mag sie auch scharf sein, nicht! Wir rufen Bischof Wilmer auf, sein Ultimatum zu überdenken, Pfarrer Eggers als Seelsorger wert zu schätzen und sein Wissen um die Verletzungen von Betroffenen zu würdigen und zu nutzen. „Wer heilt, hat recht!“, diesen Satz sagte der Bischof unlängst auf einer Veranstaltung – Pfarrer Eggers heilt, hilft, schaut hin und benennt, was für Aufarbeitung notwendig ist. Lassen Sie es ihn weiterhin tun!“

Ilona Düing, Rudolf Kastelik, Nicolas Knuth, Raphael Ohlms, Andreas Peters, Nicole Sacha, Eva Stuhlmann, Norbert Thewes

CDU in Landkreis und Stadt Wolfenbüttel

CDU fordert: Pfarrer Eggers muss bleiben

Die CDU in Stadt und Landkreis hat mit ihrer Teilnahme am „Solidaritäts-Gottesdienst“ in der Sankt Petrus-Kirche für Pfarrer Matthias Eggers „unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie unverrückbar an der Seite des Geistlichen steht“. In einer Mitteilung heißt es:

Das C im Parteinamen der Unionsparteien wird aktiv gelebt und somit ist es für die CDU-Mitglieder als Christen in Stadt und Kreis Wolfenbüttel selbstverständlich sich mit Pfarrer Eggers zu solidarisieren“, erklären die Fraktionsvorsitzenden Michael Wolff (Kreistag) und Marc Angerstein (Stadtrat).

Der CDU-Kreisvorsitzende Holger Bormann ergänzt: „Wir stehen fest an der Seite von Pfarrer Matthias Eggers. Wir werden in den nächsten Tagen die angelaufene Unterschriftenaktion mit einer Mail an alle Mitglieder und Freunde unserer Partei, auch heute beim Europarteitag in Halchter und am CDU-Infostand am kommenden Samstag in der Innenstadt aktiv unterstützen. Die Aussagen des Bischofs machen mich sprachlos, dazu fällt mir nur ein Wort ein: Mittelalter!“

Andreas Meißler (li.) und Holger Bormann (re.) sagten am Sonntag Pfarrer Matthias Eggers (Mitte) die Unterstützung der gesamten Wolfenbütteler CDU zu.
Andreas Meißler (li.) und Holger Bormann (re.) sagten am Sonntag Pfarrer Matthias Eggers (Mitte) die Unterstützung der gesamten Wolfenbütteler CDU zu. © privat | CDU Wolfenbüttel

Für die CDU ist die Aufklärung des Missbrauchsskandals nicht verhandelbar. Das Verhalten der Kirche ist auch den Opfern sexualisierter Gewalt gegenüber unwürdig“, meint Marc Angerstein. 

Stadtverbandsvorsitzender Andreas Meißler erläutert die grundsätzliche Haltung der CDU: „Die Grundlage christdemokratischer Politik ist das christliche Verständnis vom Menschen. Im Zentrum steht seine unantastbare Würde in jeder Phase seiner Entwicklung. Jeder Mensch ist als von Gott geschaffenes Wesen einzigartig und soll frei und selbstbestimmt leben. Dieses Menschenbild leitet das politische Handeln auf allen Ebenen.“

Aus diesem Verständnis heraus sei es für die CDU nicht hinnehmbar, dass die vollständige Aufklärung von sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen „bewusst“ verzögert wird. Diese faktische Umkehrung von Opfer- und Täterschutz sei ein „Schlag in das Gesicht“ aller Betroffenen aus Sicht der Christdemokraten. 

Deshalb fordert die CDU Wolfenbüttel: „Pfarrer Eggers muss bleiben! Er tritt für Aufklärung und Transparenz ein. Dafür ein Amtsenthebungsverfahren zu starten ist eigentlich eine Farce. Ob er bleiben will, muss Eggers allerdings ganz allein entscheiden. Er weiß aber große Teile der Stadtgesellschaft an seiner Seite“, meinen die CDU-Politiker. 

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