Rom. Ein neuer Notfallplan soll die Region um Neapel für zukünftige Erdbeben wappnen. Doch sorgen die Maßnahmen unter Anwohnern für Ärger.

Das starke Erdbeben, das am vergangenen Montag (20. Mai) die Region um Neapel erfasst hat, scheint auch Italiens Regierung wachgerüttelt zu haben. 49 Familien mussten nach dem Beben der Stärke 4,4 evakuiert werden, Schulen wurden geschlossen. Das Krankenhaus der Hafenstadt Pozzuoli nimmt vorerst keine Patienten mehr auf, bis Stabilitätskontrollen durchgeführt werden konnten.

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Die Regierung arbeitet nun an einem Plan, um die Menschen in der Umgebung der Phlegräischen Felder besser zu schützen. Die Gebäude in dem Vulkangebiet sollen demnach an die modernsten antiseismischen Standards angepasst werden. Doch dafür sind 500 Millionen Euro notwendig.

Erdbeben in Neapel: Notfallplan zielt auf Bauverbote und Evakuierungen

Priorisieren wolle man Schulen und öffentliche Gebäude, erklärte Zivilschutzminister Nello Musumeci nach einem Ministertreffen in Rom. Die Regierung von Premierministerin Giorgia Meloni arbeite an einem Verbot für weitere Bauten in dem Gebiet der Phlegräischen Felder. Außerdem erwäge man Unterstützungsmaßnahmen für Familien, die die Phlegräischen Felder verlassen und umziehen wollen.

Nach starken Erdbeben in der Region um Neapel soll ein neuer Notfallplan die Anwohner für zukünftige Beben wappnen.
Nach starken Erdbeben in der Region um Neapel soll ein neuer Notfallplan die Anwohner für zukünftige Beben wappnen. © DPA Images | Salvatore Laporta

„Diejenigen, die sich entschieden haben, im Raum der Campi Flegrei zu leben, wussten, dass es sich um ein schwieriges Gebiet handelt, das Risiken birgt“, so Musumeci. „Wir erinnern uns nur daran, wenn die Erde bebt. Wir müssen aber wachsam mit dieser Gefahr leben.“ Die Phlegräischen Felder erstrecken sich auf ca. 150 Quadratkilometern. Zuletzt brach der sogenannte Supervulkan 1538 aus. Das Gebiet ist jedoch wegen der großen unterirdischen magmatischen Aktivität erdbebengefährdet.

„Die Wissenschaftler sagen, dass die Beben einen Monat oder ein Jahr andauern können, sie könnten aber schon morgen wieder abklingen: Wir müssen auf jede Situation vorbereitet sein“, beharrte Minister Musumeci. „Wir arbeiten mit der Präfektur, den Gemeinden und der Region zusammen, um einen Evakuierungsplan zu erstellen, der in der Schublade bleibt, aber im Bedarfsfall sofort umgesetzt werden muss.“ Sicher sei, dass die Häuserdichte in der Gegend jetzt Probleme für den Plan zur raschen Evakuierung aufwerfe.

Anwohner kritisieren Evakuierungspläne: „Was ist die Alternative?“

Noch Tage nach dem Beben galt in der Region Alarmstufe Gelb. Wechselt sie zu Orange, wird empfohlen, das Gebiet zu verlassen. Diese Gefahrenstufe hätte zur Folge, dass die Überwachung noch einmal verstärkt und die Bevölkerung flächendeckend über die Evakuierungspläne, Fluchtwege und Verhaltensvorschriften informiert werden muss. Eine Evakuierung würde aber erst bei Alarmstufe Rot erfolgen.

Durch die magmatische Aktivität der Phlegräischen Felder ist die Region um Neapel besonders anfällig für Erdbeben.
Durch die magmatische Aktivität der Phlegräischen Felder ist die Region um Neapel besonders anfällig für Erdbeben. © DPA Images | Alessandro Garofalo

Er mache Druck auf die lokalen Behörden, damit alle zwei Monate Evakuierungstests durchgeführt werden, betonte Italiens Zivilschutzminister weiter. „Schulkinder müssen wissen, wie sie sich verhalten sollen, sollte sich die Situation zuspitzen. Diese Botschaft muss man einer Bevölkerung vermitteln, die seit Jahrhunderten weiß, dass sie in einem gefährlichen Gebiet lebt“, sagte Musumeci.

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Der Plan der Regierung sei es, Ressourcen für die Evakuierung der sogenannten roten Zone bereitzustellen. In dieser besonders gefährdeten Zone gibt es 1.250 Häuser, die einem hohen Erdbebenrisiko ausgesetzt sind, und 2.750 mit mittlerem Risiko. „Wie hoch der Betrag ist, den die Regierung bereitstellen und auf welche Weise das Risiko für die Bewohner gemindert werden kann, werden wir erst bewerten können, wenn die Erkundung der Anfälligkeit der Gebäude abgeschlossen ist“, erklärte Musumeci. Abschließend richtete der Politiker einen Appell an die Bewohner der Campi Flegrei: „Wir Süditaliener sind ein wenig fatalistisch, aber wir müssen verstehen, dass diejenigen, die weiterhin in diesem Gebiet leben wollen, sich rüsten müssen.“

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Die Worte des Ministers lösten in Neapel Empörung aus. „Wir können denjenigen, die in der Region der Campi Flegrei leben, nicht vorwerfen, dass sie dort geboren wurden. Wir wissen, dass es ein schwieriges Gebiet ist. Was ist die Alternative? Müssen wir das gesamte Gebiet am Vesuv oder die Phlegräischen Felder und Pozzuoli evakuieren?“, fragte Vincenzo De Luca, Präsident der Region Kampanien, zu der Neapel gehört, kritisch. „Es ist klar, dass wir vermeiden müssen, dass in diesem Gebiet weiter gebaut wird. Aber in der Zwischenzeit sollten wir damit beginnen, die Sicherheit der Bewohner so weit wie möglich zu gewährleisten“, so De Luca.